: Bryan Washington
: An einem Tisch
: kein& aber
: 9783036996332
: 1
: CHF 17.00
:
: Erzählende Literatur
: German
: 368
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Nach dem tragischen Verlust der Liebe seines Lebens hadert Cam mit allem, fühlt sich gestrandet und weiß nicht, wohin mit sich - und schottet sich gegen jegliche Hilfe, jegliche Zuneigung ab. Als er in Houston seinem alten Jugendfreund TJ über den Weg läuft, erfährt er, dass dieser immer noch im kleinen Restaurant seiner Eltern arbeitet, als Koch. Und nach und nach gelingt es dem warmherzigen und hartnäckigen TJ, Cam wieder ins Leben zurückzuholen, indem er ihn ins Familiengeschäft einbindet, ihn wieder zum Kochen bringt und ihm einen Weg zeigt, sich mit seiner Vergangenheit zu versöhnen. Wie sagt man so schön: Liebe geht durch den Magen.

Bryan Washingtons Prosatexte und Essays erschienen bisher u. a. in derNew York Times, demNew York Magazine,Buzz Feed undOne Story. Sein Schreiben wurde mehrfach ausgezeichnet: Für sein DebütLot, eine Kurzgeschichtensammlung, erhielt er den Dylan Thomas Prize, er war einer der Gewinner des National Book Award in der Kategorie '5 Under 35' und Preisträger des Ernest J. Gaines Award for Literary Excellence. Sein RomandebütDinge, an die wir nicht glauben ist in den USA ein Bestseller und wird als TV-Serie verfilmt.An einem Tisch ist sein zweiter Roman. Bryan Washington lebt in Houston, Texas.

Cam

Die meisten Typen um mich herum fangen an, paarweise zu verschwinden, aberTJ sitzt einfach da und nippt an seinem Wasser. Alle anderen schleichen zu zweit, zu dritt von der Theke weg. Sie sind dicht und wackeln die Fairview runter, in die Wohnung des besten Freundes von irgendeinem Ex-Boyfriend. Oder ins Badehaus in Midtown. Oder auch nur auf die Veranda der Bar, unter die Markise, wo die Mücken bis sechs Uhr morgens ins Laternenlicht rammen. Aber heute Abend, selbst noch, nachdem wir die Musik runtergedreht, das Licht wieder angemacht und die Theke gewischt haben, rührtTJ sich nicht. Es ist, als würde mich der Wichser nicht mal erkennen.

Einen Moment lang ist er eine leere Leinwand.

Ein Gesicht ganz ohne unsere Geschichte.

Aber da ist dieses Grinsen, das ich bei ihm noch nie so gesehen habe. Sein Haar sprießt unter der Kappe hervor und streift ihm über den Nacken. Er war schon immer kleiner als ich, aber seine Wangen sind weicher geworden, immer noch voller Babyspeck, der sich nie ganz verabschiedet hat.

Ich bin ein Idiot, aber ich weiß, das ist echt selten: jemanden zu sehen, den du genauestens kennst, ohne dass er dich wahrnimmt.

Das schafft unendliche Möglichkeiten.

Aber dann blinzelt er und sieht mich direkt an.

Fuck, sagt er.

Fick dich selbst, sage ich.

Fuck, sagtTJ. Fuck.

Das hast du bereits gesagt, sage ich. Willst du was Stärkeres trinken?

TJ fasst sich unten ans Gesicht. Tut mit seinem Haar herum. Sieht in sein Glas.

Er sagt: Ich wusste nicht mal, dass du wieder in Houston bist.

Ach, sage ich.

Hast du nicht dran gedacht, es mir zu sagen?

Ist doch keine große Sache.

Verstehe, sagtTJ. Klar.

Die Lautsprecher über uns blasen einen verschwommenen Strom Popakkorde heraus, bis zur Unverständlichkeit remixed. Dolly und Jennifer und Whitney. Der Hinweis für alle, den Laden zu verlassen. Aber die Jungs lehnen noch an der Theke, in verschiedenen Stadien der Auflösung – die Wochenendbesetzung einer Schwulenbar variiert krass und stündlich, von mexikanischen Ottern in Leder über weiße, offbeat klatschende Schwule und asiatische Bären in Gucci bis zu schwarzen Twinks, die am Pooltisch zum Bass mit den Köpfen nicken.

Als es dann doch endlich weniger werden, nimmtTJ die Kappe ab und fährt sich durchs Haar. Er stöhnt.

Geh ruhig tanzen, sage ich.

Du weißt, das ist nicht mein Ding, sagtTJ