Ein Prinz in Pink
Annette Klinke
Es war einmal vor langer Zeit ein Königreich im Süden unserer Welt. Der König und die Königin dieses Landes hatten schon lange versucht, ein Kind zu bekommen. Als sich nun endlich Nachwuchs ankündigte, waren beide außer sich vor Freude.
»Hoffentlich wird es ein Junge, dann haben wir einen Thronfolger«, wünschte sich der König.
»Hauptsache gesund, alles andere wird sich finden«, fand die Königin stattdessen.
Wie groß war die Freude, als tatsächlich ein kleiner Sohn geboren wurde. Er schaute neugierig mit großen, blauen Augen in die Welt und staunte über sein neues Leben. Verzückt betrachtete die Königin seine goldenen Locken und die langen Wimpern. Er war ein wunderschönes Kind. Der König nahm ihn in Gedanken bereits mit auf die Jagd und trainierte ihn im Schwertkampf.
»Wir wollen ihn Luca nennen«, schlug die Königin vor und ihr Gatte war einverstanden.
Luca war ein freundliches und zufriedenes Kind, das von allen im Palast geliebt wurde. Er wuchs heran und entdeckte mit großer Freude und Neugier die Welt um sich herum. An Ideen mangelte es ihm nicht, auch wenn seine Beschäftigungen manchmal etwas ungewöhnlich für einen Prinzen waren. So fand er eines Tages im Schlosspark ein Vogelküken, das aus dem Nest gefallen war. Es hatte schon Federn und schaute den kleinen Prinzen mit wachen Augen an. Luca verliebte sich sofort in dieses kleine, hilflose Wesen und nahm es mit zu sich in den Palast. Dort leerte er die Daunen aus einem Kissen in eine Suppenschüssel, die er heimlich aus der Schlossküche entwendet hatte, und baute dem kleinen Vogel ein kuscheliges Nest. Im Schlosshof fing er Insekten und suchte in den Blumenbeeten nach Würmern, um das Küken zu füttern. Das Küken akzeptierte ihn sofort als Ersatzmutter und liebte es, wenn Luca ihm sanft das Köpfchen kraulte oder zärtlich die kleinen Flügel glatt strich. Der kleine Vogel wuchs heran und wurde langsam erwachsen. Eines Tages war es an der Zeit, Abschied zu nehmen und mit einem letzten Zwitschern flog er davon. Luca schaute ihm wehmütig hinterher. Es war schön gewesen, jemanden zum Kuscheln und Liebhaben gehabt zu haben.
Aufmerksam schaute er sich nach einer neuen Beschäftigung um und fand eines Tages heraus, wie viel Spaß es machte, den Palast zu putzen. Zum großen Erstaunen der Bediensteten schrubbte er eifrig die Fußböden des Schlosses und freute sich, wenn hinterher alles sauber war und glänzte. Mit Elan säuberte er auch die Spiegel und Fensterscheiben und betrachtete dann zufrieden sein Spiegelbild, zupfte hier eine Locke an den richtigen Platz und probierte sogar manchmal den Lippenstift der Königin aus. Eines Tages bat er seine Kammerzofe um ein Kleid ihrer Tochter, das sie ihm etwas verwundert aushändigte, und begeistert tänzelte er damit vor dem Spiegel auf und ab. Auch die hochhackigen Schuhe seiner Mutter zogen ihn magisch an und verlockten ihn zu ungelenken und staksigen Spaziergängen durch die langen Korridore de