2.
Gordon Dempseys Pfandleihhaus lag in den Marlborough Street gegenüber dem Department of Education und Tyrone House mit Blick auf die Skulptur „The Wishing Hand“ von Linda Brunker. Weil die Skulptur einer Riesenhand auch eine Touristenattraktion und ein beliebtes Fotomotiv war und man vom dortigen Standort aus Gordons Geschäft sehen konnte, lockten die Auslagen so manche Kunden an. Gordon hatte sie zudem so ausgestellt, dass sie in ihrer Gesamtheit wie ein Stillleben wirkten: Schmuck zu Füßen von Musikinstrumenten, Perlenketten um den Hals einer Mandoline wie um den Hals einer Frau drapiert, Kelche, die mit einer Sammlung von Gold- und Silberringen gefüllt waren, und Bilder, die so aufgehängt waren, dass sie nicht nur den Hintergrund zu diesen Kostbarkeiten bildeten, sondern auch als Blickschutz von außen dienten. Der originelle Name „The Pawn’s Shop“, der mit der Doppelbedeutung des Wortes „Pawn“ für ein Pfand und die Bauernfigur im Schach spielte, und das Bild einer weißen und einer schwarzen Bauernfigur auf einem Schachbrettausschnitt als Wahrzeichen auf dem Namensschild taten ein Übriges, um Kunden anzulocken.
Kavi öffnete die Tür und wurde durch ein Glockenspiel angekündigt. Gordon saß an seinem Arbeitstisch einem Kunden gegenüber, der eine Perlenkette begutachtete. Er blickte beim Klang des Glockenspiels auf.
„Kavi!“ Mit ausgebreiteten Armen kam er zu ihr und umarmte sie. „Wie schön, dass du mich mal wieder besuchst!“ Er legte den Arm um sie und schob sie zum Tisch. „Meine Nichte“, erklärte er dem Kunden. „Geh schon mal vor.“ Er deutete auf die Tür hinter dem Tisch, die in seinen privaten Raum führte, der auch als Büro fungierte. „Ich komme gleich. Tee steht auf dem Stövchen und die Scones auf dem Tisch.“
Kavi nickte dem Kunden zu, der zurücknickte, und ging in das Hinterzimmer. Gordons Show, dass sie eine Verwandte, sei, galt nicht nur etwaiger Kundschaft, sondern auch der Aufzeichnung der Überwachungskameras. Er gab sich nicht nur seriös, was sein Auftreten – immer im Anzug – und das penible Aussehen seines Shops betraf, sondern auch hinsichtlich der Sicherheit und vor allem der Lauterkeit seines Geschäfts, vielmehr seiner Geschäfte. Die Kameras waren so ausgerichtet, dass eine den Eingang im Visier hatte, eine Rundum-Kamera den gesamten Raum überblickte und eine speziell auf den Arbeitstisch zoomte. Das sollte nicht nur verhindern, dass jemand etwas einsteckte oder einen Gegenstand gegen eine Fälschung austauschte, wenn Gordon nicht hinsah, es sollte auch der Polizei seine Seriosität beweisen, denn er hob die Aufzeichnungen ein ganzes Jahr lang auf.
Ins Hinterzimmer ließ er nur Leute, die er wie Kavi als Verwandte deklarierte, was er durch betont freundliche Begrüßungen mit Umarmungen demonstrierte. Sollte die Polizei mal wieder bei ihm vorstellig werden und Einsicht in die Überwachungsaufzeichnungen verlangen, war Gordon gerne bereit, ihnen den auch ohne richterlichen Beschluss zu gewähren. Und seine darauf erfassten „Lieferanten“ konnte er aufgrund der überschwänglichen Begrüßung glaubhaft als Verwandte und Freunde deklarieren. Sollte einer von ihnen jemals auffliegen und in den Fokus der Garda geraten, ließ Gordon ihn oder sie sofort fallen, erteilte Hausverbot und distanzierte sich bei Nachfragen der Polizei nachdrücklich von dieser Person. Kavis Wissen nach war das aber erst ein einziges Mal passiert.
Sie nahm einen Becher vom Regal, schenkte sich Tee ein und nahm sich einen Scone. Gordon und sie kannten sich schon lange. Genau genommen verdankte sie ihm indirekt ihre hervorragende Ausbildung, die sie zum „Geist“ hatte werden lassen.
Als sie ihm ih