Oh, wie er diesen Moment liebt. Wenn hinten am Horizont die Sonne ins Meer taucht, ganz, ganz langsam, wie in Zeitlupe, und ihre Strahlen noch einmal kurz die Wolken von hinten beleuchten, bevor sich die Abendruhe über das Wasser legt. Caspar David Friedrich sitzt in diesem Sommer des Jahres 1801 auf einem Stein am Strand von Rügen. Ein Tag ist zu Ende, doch ein neues Jahrhundert beginnt. Lange ist er gewandert an diesem Tag, seine Füße glühen und schmerzen ganz fürchterlich. Er ist durch die hohen Buchenwälder gelaufen, deren Kronen gerauscht und deren alte Blätter unter seinen Füßen geraschelt haben, er hat den Wind im Rücken gehabt und gesehen, wie der Regen sanft auf die Felder gefallen ist, keiner Menschenseele ist er begegnet, wie herrlich, ein einziges Mal nur, oben in Mönchgut, hat er zwei Fischer ihre Netze flicken sehen, das war’s. Nun ruht er aus am Strand, trinkt aus seiner Wasserflasche und blickt einfach nur hinaus aufs weite Meer. Am liebsten würde er sein Leben lang nichts anderes machen, er ist eben eher so der romantische Typ. Friedrich nimmt seinen Stift und sein Skizzenbuch und zeichnet die Steine neben ihm, das Meer vor ihm und den Himmel über ihm. Alles ist Stille, denkt Friedrich, selbst die Wellen sind verstummt und sogar die blöden Möwen. Er schaut auf sein Blatt, auf die grauen dünnen Linien, und dann beginnt er von Farben zu träumen, von dem zarten Gelb, dem tiefen Blau. Das müsste man malen können, denkt er, genau das. Doch noch traut er sich das nicht, noch zeichnet er nur, in Blei, manchmal in Sepia. Aber er spürt hier am Strand, dass er Farbe braucht, wenn er Sehnsucht malen will.
Immer hat Friedrich am Wasser gelebt. In Greifswald, wo er geboren ist, da läuft er als Kind die Lange Straße herunter, am Dom vorbei und dann die kleinen gepflasterten Wege runter zum Hafen, an den Stockrosen vor den kleinen Fischerhäusern entlang, die sich trotzig aus den Pflastersteinen emporranken. Stundenlang schaut er am Wasser all den Booten zu, die einlaufen und auslaufen, Abschied und Ankunft, ein ewiges Hin und Her, ganz so wie die Wellen, die an die Kaimauer klatschen. Caspar David beruhigt das, ja, seit seine Mutter gestorben ist, tröstet es ihn sogar ein wenig, denn nur so kann er die Zeit vergessen, sich ein wenig in den ewigen Rhythmus der Natur legen, wenn die Trauer langsam nach seinem Herzen greift. Erst die Schläge der Domuhr schrecken ihn auf aus seiner Trance, und er eilt nach Hause, wo ihm der strenge Vater vorwurfsvoll die Tür öffnet. Der versteht nicht, was seinen Sohn immer zum Wasser zieht, er hält ihn für einen rothaarigen Sonderling, verloren für jeden anständigen Beruf. Am Wochenende, da wandert der junge Caspar David sogar die vielen Kilometer raus nach Wiek, wo sich der Ryck, der sich durch die Stadt schlängelt, mit der Ostsee verbindet, und er die größeren Schiffe zu zeichnen beginnt, kaum hat er den Sand unter den Füßen. Zum Studium zieht er dann, nach 20 seltsam versunkenen Jahren in Greifswald, um nach Kopenhagen, einmal über die Ostsee nach Nordwesten, der Vater hat resigniert und eingesehen, dass sein etwas kauziger Sohn mit den Krusselhaaren wohl wirklich Maler werden will. Auch in Kopenhagen wieder: ein Hafen in der Stadt, die Segel und die schwankenden Masten immer vor Augen und die See zum Greifen nah. Sehr oft schnallt Friedrich sich als Student in Dänemark seinen Tornister um, nimmt seine Malsachen und zieht hinaus, um seine geliebten nordischen Küsten zu zeichnen. Und als er dann nach Dresden zieht im Jahre 1798, da hält er es fernab der Elbe zunächst nur aus, weil er sehr oft in die alte Heimat reist, nach Greifswald also und immer wieder nach Rügen, jene geliebte Insel, die er, so oft er kann, wandernd und zeichnend durchstreift. Aber dann findet er auch in Dresden, nachdem er aus der kleinen Pension am Festungsgraben ausgezogen ist, bald eine eigene Wohnung, die so nah am Wasser liegt wie nur möglich. »An der Elbe« lautet die zutreffende Adresse, hoch über dem Fluss, direkt vor der Altstadt. Erst wohnt er – wie wir von einem Brief an Goethe wissen – in der Hausnummer 27, wohl von 1804 bis 1810, dann zehn Jahre lang in dem kleineren Haus mit der Nummer 26 direkt daneben, und nach seiner Heirat zieht er in das neugebaute Haus fünfzig Meter weiter, »An der Elbe 33«, wo Fried