: Jennifer Adams
: Anna - Mitternachtsküsse für eine Lady Roman | Regency-Romance in Deutschland
: Piper Verlag
: 9783492604895
: Eine Saison zum Verlieben
: 1
: CHF 8.90
:
:
: German
: 368
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine Saison in Baden-Baden voller Bälle und heimlicher Rendezvous Baden-Baden 1831: Die Ballsaison beginnt, und Anna von Krebern wartet auf ihren Verlobten, Lord Dallingham, der seit Monaten in Ägypten weilt. Ohne ihre Freundin Elise ist die Langeweile groß, bis Anna bei einem nächtlichen Spaziergang im Garten deren Bruder Franz von Freyberg über den Weg läuft. Fortan finden Anna und Franz immer wieder heimlich Gelegenheiten für private Gespräche. Ihr Herzklopfen versucht Anna dabei zu ignorieren. Schließlich ist sie verlobt, und der Bruder ihrer besten Freundin, der sie von Kind an kennt, wird sich wohl kaum für sie interessieren ... oder? Noch mehr von Jennifer Adams: Elise - Die Lady und ihre Verehrer (Eine Saison zum Verlieben 1)

Jennifer Adams arbeitete als Übersetzerin und Sprachlehrerin und lebt heute als Autorin im Rheinland. Die Liebe zu Regency-Romanen begleitet sie seit Jahren. In ihrem Buch setzt sie auf deutsche Schauplätze und blendet bei Liebesszenen nicht aus.

1


Dearest Anna,

 

zu meinem großen Bedauern wird sich die Abreise hier in Kairo um etwa zehn Tage verzögern. Ich kann mir vorstellen, dass dies für Dich keine erfreuliche Nachricht ist. Es hat sich für mich jedoch die wunderbare Möglichkeit ergeben, einen sehr renommierten Gentleman zu treffen, der an der Einrichtung des neu erstehenden Britischen Museums beteiligt sein wird. Er kommt in drei oder vier Tagen nach Ägypten und wird sich mindestens ein halbes Jahr hier aufhalten, sodass dies auf absehbare Zeit die einzige Gelegenheit für mich sein wird, mit ihm über meine eigenen kleinen archäologischen Funde zu sprechen und seine Expertise in Anspruch zu nehmen.

Ich hoffe,my dear, Du bist nicht allzu enttäuscht, aber wir hatten unseren Heiratstermin ja ohnehin bereits in den August verschoben, weil die erforderliche Dauer meiner Rückreise zu Dir nach Baden-Baden nicht gut einzuschätzen ist. Diese ganz kleine weitere Verzögerung dürfte somit keine Auswirkungen auf unsere Pläne haben. Ich werde Dich selbstverständlich wie bisher auch stets über meine Zwischenstationen auf dem Laufenden halten.

Bald feiern wir dann ein Wiedersehen, und ich werde Dir mit Freuden genauestens erzählen, was ich auf meiner Reise durch Italien, Griechenland und Ägypten gesehen habe, sodass Du an allen Erlebnissen und Erkenntnissen teilhaben kannst. Zudem bringe ich einige Zeichnungen mit, die ich hier erstanden habe. Sie werden Dir gewiss einen hervorragenden Eindruck der Kunstschätze dieser Länder vermitteln.

Ich freue mich schon sehr darauf, Dein liebes Gesicht wiederzusehen und unter der vergleichsweise milden Sonne Badens mit Dir die Lichtentaler Allee entlangzupromenieren.

Richte Deinen Eltern meine herzlichsten Grüße aus.

In liebevoller Verbundenheit

 

Dein

Henry

 

 

Anna von Krebern ließ den Brief sinken. Sooft sie ihn auch las, die Worte ihres Verlobten vermochten es nicht, den Knoten der Enttäuschung aufzulösen, der ihr Innerstes zusammenschnürte, seit Henry den Hochzeitstermin zum ersten Mal verschoben hatte. Ja, natürlich war es wichtig für ihn, den Earl of Dallingham, alle Gelegenheiten und Möglichkeiten zum wissenschaftlichen Austausch wahrzunehmen, solange er am Mittelmeer weilte, aber sie hatte doch gehofft, zumindest dieser Brief würde endlich davon sprechen, dass er sich auf der Rückreise befand.

Davon, dass er sich darauf freute, sie zu heiraten und sie mitzunehmen in sein Heimatland.

Oder wenigstens davon, dass er sich nach ihr sehnte, so wie in seinen ersten Nachrichten, nachdem er Baden-Baden verlassen hatte.

Anna seufzte tief. Seit der Verlobung im letzten Sommer war so viel Zeit vergangen – manchmal wusste sie kaum noch, wie Henry aussah. Zum Glück hatte er ihr eine Miniatur mit seinem Abbild hinterlassen, das sie gelegentlich ansehen konnte.

Sie faltete den Brief sorgfältig zusammen und steckte ihn in ihr Handarbeitskörbchen, das sie griffbereit neben sich auf der Bank im kleinen Gartenpavillon platziert hatte. Sie würde noch ein Weilchen häkeln, um sich die Zeit zu vertreiben, bis ihre Gesellschafterin, Fräulein Nachtheim, ihre Mittagsruhe beendet hatte. Die alte Dame konnte mit Annas Energie längst nicht mehr mithalten, aber eigentlich hatten ja auch alle gedacht, dass Anna schon zu Beginn des Sommers verheiratet sein würde und das Fräulein somit ihren Dienst in der Familie beenden könnte. Stattdessen war nun der Termin im August gewählt worden. Und wie es aussah, würde Henry es erst kurz vor der Hochzeit zurück nach Baden-Baden schaffen …

Wenn wenigstens Elise bereits im benachbarten Sommerpalais der von Freybergs weilen würde! Doch ihre Freundin Elise war nicht mehr die Comtesse von Freyberg, sondern die Freifrau von Hohenhorn und wollte nicht ohne ihren geliebten Gatten sein. Die beiden würden erst später im Sommer nach Baden kommen können, da Philipp durch seinen Beruf als Anwalt gebunden war.

Zu eurer Hochzeit sind wir jedoch ganz gewiss da, hatte Elise geschrieben.

Bis dahin war es noch so lang …

Anna nahm das angefangene Umschlagtuch aus dem Korb, fasste die Häkelnadel und schlang das dünne violette Garn um ihren linken Zeigefinger. Das gewählte Spitzenmuster war nicht ganz einfach, und sie musste sich konzentrieren, um keine Fehler zu machen. So lenkte sie das Handarbeiten zumindest ein bisschen von ihrer Langeweile ab.

»Baronesse?«

Erleichtert drehte Anna sich um. »Fräulein Nachtheim. Haben Sie sich ein wenig ausgeruht?«

Annas ehemalige Gouvernante, die im vergangenen Jahr die Funktion einer Gesellschafterin und Anstandsdame übernommen hatte, nickte.

»Wie schön.« Anna faltete die Häkelarbeit wieder zusammen. »Dann lassen Sie uns zum Trinkbrunnen gehen. Im Badeblatt habe ich gelesen, dass die von Bindheims gestern angekommen sind. Ich würde Frieda von Bindheim sehr gerne wiedertreffen, und um diese Uhrzeit dürfte sie dort sein.«

Fräulein Nachtheim lächelte verständnisvoll. »Da weder Ihre älteren Geschwister noch die Familie von Freyberg vor Ort sind, wird es gewiss schön für Sie sein, wieder eine Freundin zu sehen. Junge Leute brauchen Gesellschaft.«

Anna stimmte höflich zu und packte ihre Handarbeit in den Korb. Obwohl sie Frieda von Bindheim nicht gerade als Freundin bezeichnen würde, hatten sie doch im vergangenen Sommer recht viel Zeit miteinander verbracht. Frieda war eine eher stille junge Frau und keineswegs ein Ersatz für Elise, mit der Anna praktisch zusammen aufgewachsen war, aber wie sagten die Engländer?Beggars can’t be choosers. Bettler können nicht wählerisch sein.

 

Der erste Bekannte, auf den Anna im Wandelgang der Trinkhalle hinter der Stiftskirche traf, war Louis de Charville.

»Ma chère Anna!«, rief er aus, eilte ihr entgegen, ergriff ihre Hände und gab ihr zwei französische Begrüßungsküsschen auf die Wangen. »Ich bin gerade erst eingetroffen, und schon darf ich mich an Ihrem herzerfrischenden Anblick erfreuen!«

Aus dem Augenwinkel sah Anna, wie Fräulein Nachtheim die Brauen hob und unwillkürlich ein klein wenig näher neben sie trat. Doch da ihr Schützling bereits verlobt war, fühlte das Fräulein sich glücklicherweise nicht bemüßigt, weiter einzugreifen.

»Louis, Sie sind auch wieder hier?«, erkundigte Anna sich nach dem Offensichtlichen.

»Mais oui, wo anders kann man den Sommer verbringen als in Baden? Wo anders gibt es solch wunderbare Bälle und solch hübsche Damen?« Sein Blick glitt kurz zu einer Unbekannten, deren Schutenhut mit auffällig hohen weißen Federn geschmückt war.

»Wie wahr«, bemerkte Anna trocken und erinnerte sich an Louis de Charvilles eher hölzerne Tanzschritte. Im vergangenen Sommer hatte sie ihn gelegentlich von Elise abgelenkt, die er sehr verehrt hatte. Und nicht immer war das ein Vergnügen gewesen.

»Darf ich für den Ball am nächsten Samstag gleich einen Tanz mit Ihnen reservieren?«, fragte Louis. »Oder ist dann der gute Henry bereits zurück und behält Sie ganz für sich allein?«

»Nein, ein wenig wird es noch dauern, bis er aus Ägypten zurückkehrt. Die Reise ist doch weit.«

»Ägypten!«, rief Louis überrascht aus. »Ich dachte, er wäre im vergangenen Herbst nach Italien aufgebrochen.«

»Das war nur die Anfangsstation auf seiner Reise, aber … oh, ich sehe gerade, dort kommt meine liebe Freundin Frieda. Ich muss sie unbedingt begrüßen, sie ist gestern erst angereist, und wir hatten noch keine Gelegenheit zu plaudern.«

Anna versuchte, sich ihre Erleichterung über die sich bietende Fluchtmöglichkeit nicht anmerken zu lassen. Sie hatte keine Lust, weiter über Henrys Abwesenheit zu sprechen. Es schien das einzige Gesprächsthema zu sein, das die Leute interessierte. Vor allem aber hatte sie keine Lust, dass dieser Mann mit zwei linken Füßen sich schon im Voraus einen Tanz beim nächsten Ball reservierte. Als Dame war es ihr nicht erlaubt, eine ...