Die Schöne Schlafende
Aimée Goepfert
Einst bekam ich Eintritt in dies geheime Haus. Viel hörte ich schon in der Vergangenheit von ihm. Doch erhört wurde mein innerer Wunsch zum Besuch all die Zeit nicht. Ein schönes Haus, wo jede Zimmertüre offen stünde. Und wenn es doch eine zum Ausgang geschlossen besaß, so soll diese wohl stets in der Nacht bloß angelehnt sein, hörte ich immer wieder, wenn über diesen Ort heimlich geflüstert wurde. Ein Rätsel, das sich mir all die Zeit nicht lösen wollte, was dieser geheimnisvolle Ort an Geschichten mir zeigen möchte. Doch die Tür zur Straße scheint stets verschlossen zu sein. Jedes Mal, wenn ich an ihr vorbeizog, wurde ich schon, wenn ich mich näherte, leicht nervös und versuchte zu später Stunde mein Glück immer wieder. Doch ein Riegelchen galt ihr nicht. Immer wieder stand sie mir verschlossen da: die Tür zur Straße. Ich musste dann jedes Mal meinen nächtlichen Spaziergang, ohne eine Rast einzulegen, weiter fortsetzen. Alle sprachen sie über diesen Ort. Bunte Geschichten nahmen aus ihren toten Mäulern ihren Lauf. Doch, wenn man sie näher befragte, die Plappermäuler, wussten sie auf meine Fragen kaum eine Antwort zu geben. Niemand war scheinbar bisher drin gewesen, in diesem Haus, und sah, wie sie die Türen zu ihren Frauenzimmern und Stuben wohl offen stehen lassen. Einst, wie aus einem Film, gefiel mir das Bild meiner Gedanken dazu. Einst in jener, jungen Vollmondnacht, ging ich wieder meines nächtlichen Weges. Es war wie ein Ritual vor dem zu Bett gehen, noch einmal bei Dunkelheit aus meiner Kammer hinauszuschleichen. Die Straße an diesem Tage war so leer, als ob sie ganz für mich auserkoren ward. Die Laternen leuchteten die Bäume am Wegesrand matt an. Ein junges Mädchen in einem weißen Gewand mit roten Spritzern vereint, wie ein Kunstwerk schien es mir, kam zur Türe hinaus, als ich gerade, wie gewohnt, weiter meines Weges ziehen wollte. Sie schaute mich so tiefsinnig durchdringend an, dass ich stehen bleiben musste. Sie blickte zu Boden auf meine frisch geputzten Schuhe mit schwarzem Leder, die ordentlich gebunden waren. Dann sah sie wieder nach oben und musterte mich. Sie hielt die Eingangstür zum geheimnisvollen Haus weiter offen, ohne ein Wort zu sagen, blinkten bei Nacht ihre zarten dunklen Äuglein mich schimmernd an. Ich durfte wohl wirklich endlich Eintritt nehmen, bei klarem Himmel, bei Vollmondnacht. Das Mädchen trat hinaus zur Straße. Sie verschwand um die nächste Ecke aus meinem Augenblick, so schnell, wie sie aus dem Nichts für mich auftauchen mochte. Ich ging durch die große Tür, die sich wieder hinter mir mit einem Ruck verschloss, einen schmalen Weg auf Kieselsteinen zu e