: Hans Bentzien
: Was geschah am 17. Juni? Vorgeschichte, Verlauf, Hintergründe
: EDITION digital
: 9783965218390
: 1
: CHF 7.30
:
: Zeitgeschichte (1945 bis 1989)
: German
: 276
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Das Buch ist nicht nur eine Chronik eines bedeutenden Tages in der deutschen Nachkriegsgeschichte, sondern auch eine Analyse der komplexen sozialen und politischen Dynamiken, die zu diesem historischen Moment geführt haben. Bentzien, sowohl ein renommierter Historiker als auch ein Zeitzeuge der Ereignisse, zeichnet ein fesselndes und nuanciertes Bild von den Vorfällen, die sowohl Deutschland als auch die Welt für immer verändert haben. In diesem Buch entdecken Sie die wahre Geschichte des 17. Juni 1953, weit über die gängigen Interpretationen hinaus. Bentzien führt Sie durch die Straßen von Berlin, Dresden, Gera und anderen Städten und entfaltet eine Erzählung, die von leidenschaftlichen Aufständen, politischen Machenschaften und den alltäglichen Kämpfen der Menschen in dieser Zeit geprägt ist. Ergänzt durch eine Vielzahl von Originaldokumenten im Anhang, ist das Buch eine unverzichtbare Lektüre für alle, die sich für die deutsche Geschichte, den Kalten Krieg und die menschlichen Geschichten hinter historischen Ereignissen interessieren.

Geboren 1927 in Greifswald. Volksschule, Lehrerausbildung (LBA). Studium zum Dipl.rer.pol. in Jena und Moskau. Verschiedene kulturpolitische Funktionen. Kulturminister 1961 - 1966. Verleger. Rundfunk- und Fernsehmitarbeiter (Leitender Redakteur für Geschichtspublikationen). Zuletzt Generalintendant des Deutschen Fernsehfunks. Autor von Fernsehfilmen, Theaterstücken, Biografien (Elisabeth von Thüringen, Martin Luther, Thomas Müntzer, Friedrich II. von Preußen, Carl August von Hardenberg, Claus Schenk Graf von Stauffenberg) und Sachbüchern zu Fragen der Zeitgeschichte und der Geschichte Brandenburgs. Autobiografie. Zuletzt wohnhaft in Bad Saarow. Verheiratet, drei Kinder. Er verstarb am 18. Mai 2015.
Roll back geplant Manchmal zweifele ich daran, ob es überhaupt möglich ist, sich heute vorzustellen, welch ein Knoten von Problemen und Widersprüchen gelöst werden musste, aber es gab jeden Tag neue und schwierigere. Im Westen taten sich einschneidende Dinge. Am 19.?März 1953 wurde vom Bundestag der Generalvertrag ratifiziert, auch Deutschlandvertrag oder Bonner Vertrag genannt. Er regelte die Beziehungen der BRD zu den drei Mächten USA, Großbritannien und Frankreich. Der Vertrag sollte das Besatzungsregime ablösen und den Weg in die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) freimachen. Zwar gab es durch Proteste und Einwände Verzögerungen, doch Adenauer versicherte dem neuen amerikanischen Präsidenten Eisenhower, trotz Schwierigkeiten durch die Opposition an der Stärkung des militärischen Bündnisses mitzuwirken. Auch nach der Wiedervereinigung werde Deutschland nicht aus der EVG austreten. Der amerikanische Präsident verspricht dafür Rüstungshilfe und für Westberlin Wirtschaftshilfe. Damit war verbindlich der Kurs der Adenauer-Regierung gegenüber der führenden Macht im westlichen Bündnis festgelegt, der Staatsbesuch hatte die spalterischen Positionen festgeklopft. Adenauer muss an die Wiedervereinigung als Gegenwartsaufgabe gedacht haben, denn es kann kein Zufall sein, dass am 12.?Juni die Konzerne, die auf dem Territorium der DDR inzwischen enteignete Betriebe noch zu ihrem Besitz zählten, Weisungen erteilten, deren Aktien aufzukaufen. Die Börsen verzeichneten am 13.?Juni rege Nachfrage nach den sogenannten Ostwerten. Besonders erfolgreich wurden die Aktien von Siemens, AEG, Flick, des Krupp-Konzerns, der Dessauer Continental Gasgesellschaft und der Deutschen Erdöl AG gehandelt. Einige frühere Großagrarier erkundigten sich nach dem Zustand ihrer alten Besitzungen. Maßnahmen dieser Art treffen Konzerne nicht ohne ausreichende Informationen. Zu ihrer Beschaffung war im März 1952 beim Ministerium für gesamtdeutsche Fragen ein 'Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands' gegründet worden. Besser hätte diese Informationszentrale 'Ausforschungsbeirat' geheißen. Bei ihr liefen die Spionagemeldungen zusammen, die zu einem Sofortprogramm umgeformt wurden. Die Maßnahmen waren detailliert ausgearbeitet, es kam der BRD-Regierung darauf an, nach dem Tag X eine kompatible Angleichung der Verhältnisse von Ost zu West zu erreichen. Die Landsmannschaften hatten hierin die Funktion einer 'Armee für die Wiedervereinigung' zu übernehmen, wie Minister Kaiser formulierte. Im Juli 1952, zum Zeitpunkt der II.?Parteikonferenz, berichtete der 'Spiegel': 'Der Generalstabsplan für die administrative Machtübernahme ist so gut wie fertig. Es fehlt - nach der Unterzeichnung des Generalvertrages durch den Bundeskanzler Adenauer - nur die Gelegenheit, ihn in der Praxis anzuwenden.' Zu diesem Plan gehörte eine Liste mit Mitgliedern einer 'Schattenregierung', die für den Tag X bereit stand. Eine 'Ostkartei' erfasste Bürger der DDR, welche vom Volkszorn hinweggefegt, also gelyncht werden sollten. Die Sabotageakte steigerten sich in den folgenden Monaten erheblich, die Liste wäre lang, wollte man sie alle aufführen. Dem 'Forschungsbeirat' des Ministers Kaiser gehörten wichtige Verbindungsleute zu den Organisationen und Verbänden an. Die Banken vertrat der Vorsitzende des Verwaltungsrates der Berliner Zentralbank, die Konzerne wurden repräsentiert durch den Verband der Deutschen Industrie und die Arbeitgeberverbände. Die Gutsbesitzer wurden vertreten durch Friedrich Karl von Zitzewitz-Muttrin (in der DDR enteignet), der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte drei Vertreter, die Kollegen Scharnowski, Rosenberg und Hirche, ebenso wie die SPD ihre führenden Mitglieder Bertsch, Dr. Seume und Wehner entsandt. Walter Ulbricht bezeichnet auf dem IV.?Parteitag der SED den 'Tag?X' als Putsch. Dazu führt er aus: 'Die uns bekannten Beratungen des 'Forschungsbeirates' hatten das Ziel, durch einen Putsch die Arbeiter- und Bauernmacht in der DDR zu stürzen und dann die ehemaligen Konzernbetriebe ihren früheren Besitzern zurückzugeben. Das Programm der Putschisten war in der Landwirtschaft gegen die Klein- und Mittelbauern gerichtet, die entsprechend dem 'Grünen Plan' Westdeutschlands in großbäuerliche Wirtschaften verwandelt werden sollten. Die Initiatoren des Putsches in der DDR waren Faschisten, die früher Funktionäre von Hitlerorganisationen gewesen waren, Agenten des Ostbüros der SPD und verschiedene Agenten des Kaiserministeriums, die sich in die kleinbürgerlichen Parteien in der DDR eingeschlichen hatten. Gewisse aggressive Kreise der USA waren an einer Verschärfung der internationalen Lage interessiert und deshalb waren sie bereit, ihre Reserven in der DDR einzusetzen und in einem solchen Putsch zu opfern.' (Protokoll des IV.?Parteitages der SED, S.?60, Berlin 1954)