: Rike Szill, Andreas Bihrer
: Eroberte im Mittelalter Umbruchssituationen erleben, bewältigen, gestalten
: Walter de Gruyter GmbH& Co.KG
: 9783110740035
: Europa im MittelalterISSN
: 1
: CHF 89.80
:
: Mittelalter
: German
: 518
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Die Beschäftigung mit historischen Umbruchs- und Transformationsphasen bleibt für die Mediävistik ein zentrales Thema. Doch trotz der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Aktualität von Eroberungen als konstantes Phänomen der mittelalterlichen Geschichte wurde die Perspektive der Eroberten dabei bislang kaum systematisch erforscht. Eroberte waren und sind jedoch nicht lediglich passive Opfer, sondern entscheidungsfähige Akteur*innen, die die neu geschaffene Situation bewusst und gezielt zu ihren Gunsten zu beeinflussen wussten und aktiv mitgestalteten. Damit ist die Wahrnehmung der Eroberten für das Verständnis und die Aushandlung von Eroberung konstitutiv: Erst durch den Einbezug ihrer Perspektive lässt sich das Phänomen Eroberung als multiperspektivisches Konstrukt fassbar machen und erforschen.
In einem breiten chronologischen und geographischen Zugriff rückt der Sammelband das Erleben, die Bewältigungsstrategien und die agency der Eroberten im Austausch mit ihren (vermeintlichen) Eroberern in den Mittelpunkt. Dabei erweist sich Eroberung als instabiles und transformatives Konstrukt, das kontinuierlich ausgehandelt werden muss und einer beständigen Anpassung unterliegt.



Rike Szill undAndreas Bihrer, Universität Kiel.

Eroberte im Mittelalter


Aspekte einer Geschichte historischer Umbruchssituationen ‚von unten‘

RikeSzill

Abstract

Historical phases of upheaval and transformation continue to be a fruitful topic, also with regard to the Middle Ages: That established terms such as ‚conquest‘ and ‚fall‘ or ‚victory‘ and ‚defeat‘ are considered diametrically opposed seems, in this context, all too understandable. After all, they are what makes such a complex phenomenon describable. However, dichotomising conquest also invites the rather hasty conclusion that contemporaries actually distinguished the actors involved from each other by both categorising them as conquerors and conquered and assigning fixed patterns of interpretation to them. Based on this assumption, this paper discusses aspects on being conquered in the Middle Ages, thereby giving a programmatic introduction to the contributions of the conference volume.

1 Ein Spiel der Narrative: Eroberungserzählungen


Die Beschäftigung mit historischen Umbruchs- und Transformationsphasen hat nach wie vor Konjunktur: Dieser Befund lässt sich nicht nur an der aktuellen Forschungslandschaft ablesen, in welcher die Erforschung des Niedergangs großer Städte, Völker und Reiche seit jeher zum festen Untersuchungsrepertoire gehören.1 Auch in der Populärkultur liegen allein zum Mittelalter als ‚Zeitalter der Eroberungen‘ zahlreiche Adaptionen in unterschiedlichster medialer Form vor.2 Bekanntermaßen produzieren solche Mediaevalismen darin indes ihr eigenes – historisch meist blasses, gerade in dieser Reduktion aber so einprägsames – Mittelalter, das als verzerrtes Echo vornehmlich moderne Interpretationen und Rezeptionen perpetuiert.3

Dieser Umstand tritt nicht nur in Filmen und Computerspielen, sondern auch in vergleichsweise wenig erforschten modernen Brett- und Kartenspielen deutlich hervor:4 Ihr bekannter Vertreter und „blockbuster title“5 ‚Dominion‘, der bereits ein Jahr nach seiner Erstveröffentlichung mit dem prestigeträchtigen Titel ‚Spiel des Jahres‘ ausgezeichnet wurde und seitdem 15 Erweiterungen, fünf Neuauflagen und vier Sondersets erhalten hat,6 erhebt das Erleben von Eroberung etwa zu einem, wenn nicht gar zu dem wesentlichen Spielgegenstand:

Du bist ein Monarch, genau wie deine Eltern zuvor – Regent eines netten kleinen Königreiches mit Flüssen und immergrünen Länd