Montag im August, alle noch am Leben, die beiden zum Beispiel, die jetzt in der größten Hitze nördlich von Rom in den Bergen von Tolfa, eigentlich Vulkanhügel, sechshundert Meter über Meer, nach einer etruskischen Totenstadt graben. Selbstverständlich ohne Genehmigung, wer käme schon an dieser entlegenen Waldlichtung vorbei. Sie sieht ja auch nicht nach Totenstadt aus, keine von Vegetation überwachsenen Höcker, die auf etruskische Tumulusgräber deuten, wie es in Etrurien, Toskana, Umbrien, Latium, viele gibt, ausgegrabene und nicht ausgegrabene. Die Lichtung ist mehr oder weniger viereckig, ihre Längsachse genau nach Norden ausgerichtet. In ihrem südöstlichen Teil eine alte Eiche. Am Boden trockenes gelbes Gras, vertrocknete Disteln. Ringsum Mischwald, Buche, Eiche, Hagebuche, immergrüne Steineiche, Erdbeerbaum. Im Wald dichter Schatten, da und dort ein Sonnenfleck. Zikadensägen.
Jetzt um den Mittag an diesem Montag Anfang der achtziger Jahre sitzen die beiden im Schatten am Waldrand, so verrückt sind nicht einmal sie, um diese Zeit in der Erde zu stochern. Sie essen ihre panini, pomodoro e mozzarella, bresaola e rucola. Vor ihnen sitzt ein mittelgroßer gelber Hund, fixiert sie. Einer der beiden reißt ein Stück von seinem panino ab und wirft es ihm hin. Einer der beiden, vierundzwanzig, groß gewachsen, dünn und trotz der Hitze in langer Hose und mit geschlossenen Schuhen, vielleicht aufgrund korrekter Überlegungen betreffend Sonneneinstrahlung, Dornengestrüpp und Vipern. Er ist Schweizer. Der andere, zweiundzwanzig, trägt abgeschnittene ausgefranste Jeans und sonst nichts außer Turnschuhen. Dementsprechend Kratzer an seinem Oberkörper und seinen Waden. Es führt ja kein Weg durchs Gestrüpp, das Hemd des Schweizers hat die Art Riss, die man in der Schweiz Dreiangel nennt. Sogar der Hund hat einen blutigen Kratzer an einem der aufgerichteten, an der Spitze geknickten Ohren. Er ist eine Promenadenmischung, einem Dingo nicht unähnlich, mittelgroß, gelbes Fell, lang gezogene Schnauze, so ein Hund von der Sorte Vorstadt-Anubis, sagt der korrekt gekleidete junge Mann. Im Übrigen heißt der Hund Vel. Etruskischer Name, hat der Halbnackte, ein Deutscher, gesagt, er hat dem Hund den Namen gegeben. Er selbst lässt sich Oreste nennen, eigentlich heißt er Horst, aber das spricht dir kein Italiener aus. Der Schweizer heißt Marius. Ja, sein Vater ist Lateinprofessor. Marius. Nenn ihn ja nicht Mario, das verträgt er nicht, solche Anbiederungen, genauer gesagt, die Unterstellung, dass er sich mit der Italianisierung seines Namens anbiedern wollen würde. Er spricht besser Italienisch als Horst-Oreste, der ihn in der via dei Capocci, Rom, mit deutschem Akzent auf Englisch ansprach und ihm dann auf Deutsch für fünfzigtausend Lire zehn Gramm Marihuana andrehen wollte. Marius kifft nicht. Was ihn nicht gehindert hätte, das Zeug zu kaufen, hätte er so viel Geld dabeigehabt.
Also, am Waldrand im Schatten, ein Uhr jetzt, Montag im August und alle noch am Leben. Sie essen die letzten Bissen ihrer panini, pomodoro e mozzarella, bresaola e rucola, der Hund Anubis Vel sitzt neben Horst. Horst Oreste zu nennen, weigert sich Marius. Obwohl Oreste doch, hat Horst gesagt, ein römischer Kaiser war. Klar, hat Marius gesagt, und hat er nicht auch Rom angezündet. Nero, hat Horst gesagt, das war Nero, glaube ich.
Sie sitzen im Schatten am Waldrand, Marius sagt, die Zikaden sollte man abstellen können. Das Gesäge ist ohrenspaltend, und man hat das Gefühl, es erzeuge die Hitze. Die Frage, wie die Zikaden das vom Morgen bis zum Sonnenuntergang durchhalten, strengt einen Teil des Denkens dauernd an. Horst sagt, hast recht, die sollte man abstellen können. Er drückt eine Handfläche und die Faust mit dem panino gegen die Ohren, nimmt sie weg, drückt sie wieder an, wodurch das Gesäge noch verrückter pulsiert. Ein Stück mozzarella fällt aus dem panino.