: Daan Heerma van Voss
: Die Sache mit der Angst Und wie ich lernte, damit zu leben
: Diogenes
: 9783257613414
: 1
: CHF 27.00
:
: Angewandte Psychologie
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Du hast zu viel Angst vor dem Leben.« Als der Autor Daan Heerma van Voss mit dieser Begründung von seiner Freundin verlassen wird, reist er von Amsterdam über Jakarta nach San Francisco, um die Ursachen seiner Angststörung endlich tiefer zu ergründen. Was ist Angst? Woher kommt sie? Und welche Rolle spielen unsere Gene? Dieses Buch hilft, einen Weg zu finden, Angstgefühle, Panik und Phobien zu verstehen und ihnen etwas entgegenzuhalten.

Daan Heerma van Voss, geboren 1986, ist Autor, Journalist und Historiker und gilt in den Niederlanden als eine der wichtigsten Stimmen seiner Generation. Er schreibt regelmäßig für internationale Publikationen wie ?The New York Times?, ?Pen International?, ?Haaretz? und ?Svenska Dagbladet?. Seine journalistischen Texte wurden mit dem renommierten De Tegel-Preis ausgezeichnet. ?Die Sache mit der Angst? ist sein erstes Sachbuch.


Es lebt etwas in mir, das mich nicht in Ruhe lässt. Das wird mir wieder einmal bewusst, als ich von meiner Blockhütte aus auf friedliche, monochrome, französische Weiden schaue und mich nicht eine Sekunde an die Stille gewöhnen kann. Hier im Vallée de Misère, zu Besuch bei meinem Freund, ziehen die Unheilsszenarien weiter im Geiste an mir vorbei. Ich grüble viel und schlafe schlecht. Schaudernd und verwirrt klammere ich mich an die einzige Regel, die ich mir auferlegt habe: sie nicht anzurufen. Denn was ich empfinde, hat nicht ausschließlich mit ihr zu tun; es ist viel älter. Solange ich mich erinnern kann, ist eine diffuse, allgemeine Ängstlichkeit tief in mir verankert. Ich gehe damit zu Bett und stehe damit auf. Wie ich festgestellt habe, bin ich sowohl einer von vielen als auch ein merkwürdiger Fall.

Vor Kurzem habe ich zweimal meinen Cortisolspiegel messen lassen, um herauszufinden, wie viel von diesem Stresshormon in meinem Hirn herumgeistert. Am zuverlässigsten lässt sich das anhand einer Haarprobe ermitteln. Man gibt eine Haarsträhne ab, die dann in einem Labor untersucht wird. In meinem Fall erledigte dies das Medizinzentrum Amsterdam, in Zusammenarbeit mit dem Medizinischen Zentrum Erasmus. Das durchschnittliche Angstlevel der Niederländer beträgt2,7 Picogramm Cortisol pro Milligramm Haar. Menschen mit langwierigen psychischen Problemen kommen höchstens auf15 Picogramm. Meine Tests zeigten ein anderes Profil.

Der erste Test, mit dem mein Cortisolspiegel über einen Zeitraum von drei Monaten gemessen wurde, ergab34,4 Picogramm, etwa das13-Fache des Durchschnittswerts. Schon da waren die Ärzte überaus erstaunt. Beim zweiten Test wurde monatlich gemessen: Diesen Monat waren es74 Picogramm, im Monat davor87, davor132 und noch einen Monat früher über200 Picogramm, das74-Fache des landesweiten Durchschnitts. Nein, es lag nicht am Test. Aus Neugier hatte die leitende Ärztin eine Haarprobe von sich mit ins Labor geschickt. Ihr Resultat:0,8. Die Ärzte waren sprachlos, ein Ergebnis wie meins war ihnen noch nicht begegnet. Sie äußerten die Vermutung, dass ich an einer seltenen Krankheit litt, an einem Tumor, der bewirkte, dass meine Drüsen zu viel Cortisol abgaben. Diese Diagnose hielt ich für ausgeschlossen, ich hatte keinen Tumor. Dem stimmte man schließlich zu, da sich keine weiteren tumorspezifischen Symptome nachweisen ließen und ich die Tests aus Neugier veranlasst hatte. Daraufhin versuchten die Ärzte mich zu beruhigen: Dieses Ergebnis sei so bizarr, dass ich es am besten vergessen sollte. Bestimmt sei irgendwas schiefgelaufen. Dann wollten sie das Ganze weiter untersuchen, was ich nicht für notwendig hielt. »74