: Martin von Arndt
: Egoshooter
: ars vivendi
: 9783747205112
: 1
: CHF 5.40
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 143
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ego shooter, das sind Computerspiele, in denen der Spieler alles durch die Augen seiner Figur wahrnimmt. Spieler und Figur verschmelzen miteinander. Die virtuelle Welt wird zur realen Welt. Kovács, der Held in Martin von Arndts Romandebüt, ist ein Profispieler im Internet. In seiner hermetisch abgedichteten Wohnung nimmt er Nacht für Nacht an nachgespielten Flugzeugschlachten des zweiten Weltkriegs teil. Mit möglichst vielen Abschüssen verdient er sein Geld. Er lebt das Leben einer neuen Generation, die konsequent in der virtuellen Realität des Computers existiert, inmitten von ?configs?, ?addons? und ?respawn-points?. Solange, bis Kovács von einer Krankheit heimgesucht wird, die ihn zunächst spielunfähig macht und schließlich mit dem Tod bedroht. Die auf die ärztliche Diagnose folgende Woche wird Kovács Karwoche. Station für Station erleidet er seine Passion. Stationen auf diesem Gang sind seine unerfüllt gebliebenen Liebesabenteuer und die heimlichen und unheimlichen Katastrophen seiner Familiengeschichte, die zwischen Ungarn nach dem 1956er Aufstand und dem Wirtschaftswunder-Deutschland hin und her pendelt. »ego shooter« ist die ebenso skurrile wie komische und tragische Geschichte einer Sehnsucht nach neuen Lebensnischen in der Computer-Gesellschaft. Aber es ist auch die Geschichte einer Gefährdung. Kovács ist der Vertreter einer jungen Generation, die sich in immer brutaler ausgetragenen gesellschaftlichen Verteilungskämpfen ihren Weg suchen muß. Und die vor dem Computer Gefahr läuft, menschlich abzustürzen, zu verelenden, zu verkommen. Die Auseinandersetzung um die Killerspiele reißt auch Jahre nach Erfurt und Winnenden nicht ab. Auch der Osloer Massenmörder bereitete sich erklärtermaßen monatelang mit Ego-Shooter-Spielen auf seinen Amoklauf vor.

mail mir deine
herzhaut
im dateianhang
gezippt
weck mich
schlafendes messer

samstag


ein mops kam in die küche. mir entfährt ein zischen.
»ziemlich schmerzhaft, was?«
mit 3 fingern drückt er zu, baut sich vor mir auf, dreht meinen kopf um 40 grad nach links, sachte, dann um 20 grad nach rechts. beugt sich zu mir herunter& leuchtet mir in die pupillen, presst mir seine daumen an die stirn, die zeigefinger in den nacken,& zieht luft durch die schneidezähne ein. er hat den alk gerochen, meinen talgigen schweiss.
die frage steht im raum wie ein gast, den man nicht losgeworden ist. ich zucke mit den schultern.
»keine ahnung« sage ich gedehnt, »weiss nicht, wie schmerzhaft so was normalerweise ist.«
er sieht mich an, einen moment zu lang, mit müden, ausgebleichten mittvierziger-augen, legt den kopf mit den unsauber frisierten ergrauten schläfen, unter denen sich die ansätze buschiger koteletten zeigen, ein wenig schief& bittet mich, den meinen anzuheben. da es ihm zu langsam geht, hilft er nach. mit 2 fingern der linken hand.
»wie weit können sie den kopf nach rechts bewegen?«
ich mache es ihm vor. er geht zurück zu seinem sessel, setzt sich, schlägt die beine übereinander, sieht wägend zu mir auf& beginnt zugleich, fahrig mit der maus zu hantieren. ich weiche seinem blick aus, starre auf die hosenbeine seiner fabrikneuen bluejeans. auf den milchkaffeebraunen linoleumboden, geruch nach schul-zeichensaal (leicht mit dem schlauch zu reinigen, wenn’s mal blutig wird). starre auf die weisse wand, die sterilität vorgibt& weniger makellos als vernachlässigt wirkt. apparate, die aussehen, als hätte er sie bei einem online-auktionshaus ersteigert. ein katzenkalender, der matisse-druck zwischen seinem rechten ohr& dem ansatz zu einer sichelförmigen glatze auf seinem hinterkopf. trotz ausführlicher inspektion entdecke ich keinen schrank, in dem er die medikamente aufbewahrt.
»brauchen sie immer einen erfahrungsabgleich, bevor sie eine aussage treffen? zum beispiel über ihre befindlichkeit?«
zucke erneut mit den schultern. »keine ahnung. weiss nicht, wie so was normalerweise bei mir läuft.«
jetzt zuckt auch er mit den schultern, kopfschüttelnd, dreht an der feststellschraube seiner rückenlehne, setzt sich auf& beginnt zu tippen.
»sieht nicht gut aus. weshalb sind sie nicht früher gekommen?«
er spricht mit universitär übertünchtem badischen akzent. sagt ›gu-ut‹.& ›frü-üa‹. ich schweige. trockene hände, trockener mund. er sieht auf& lehnt sich zurück in seinen sessel. gibt die sicht frei auf den matisse. der ist wahrscheinlich obligat. bekommt man zusammen mit der kassenzulassung. als werbegeschenk. hätten herrn doktor stattdessen einen anständigen pc überlassen sollen. die blassgraue schuhschachtel, die auf seinem schreibtisch steht, muss bestimmt noch mit der kurbel angeworfen werden. eintakter-fehlzündungen. ich höre sie in den gesprächspausen.
»schädelbasisabszess. das problem ist…«,
sagt er bedeutungsschwer, während er aufsteht, zum fenster geht& draussen mit seinen gähnenden augen irgendwas zu fixieren sucht (nur dass da draussen eben nichts zu fixieren ist, weil das ordinationszimmer auf denselben bekackten hinterhof rausgeht, in den ich früher jede nacht meine kippen geschnippt habe: windeln, wäsche, altölwannen),
»... dass ab oberhalb der kiefer solche bakterienherde kontakt mit der hirnhaut haben. verstehen sie, was das bedeutet?«
da kamen viele möpse& gruben ihm ein grab. bin zum ersten mal in der praxis. sicher zum letzten mal. lasse mich nun mal nicht gern wie einen schwachkopf behandeln, nur weil ich nicht medizin studiert habe. atme geräuschvoll zwischen den zähnen aus.
»hirnhautentzündung,«
sage ich, den atem noch auf der zunge,
»separates the man from the idiot.«
er dreht sich hastig um, ste