1. KAPITEL
Will hielt an und stieg aus seinem Wagen, den er mit halb offener Tür mitten auf der Straße stehen ließ. Er ging ein paar Schritte vor.
Die Türmchen und Schornsteine von Elmhurst Hall erhoben sich über den Bäumen, die das Gebäude umgaben, seine Mauern aus Sandstein erglühten in der Nachmittagssonne in einem warmen Goldgelb. Die Front wurde von zahlreichen länglichen Fenstern durchbrochen.
Auf diesen Moment hatte er gewartet, seit er vor einem Monat den Brief des Notars geöffnet hatte. Der Moment, auf den seine Familie seit drei Generationen gehofft hatte. Wenn er jetzt versagte – untypisch für ihn, aber nicht ausgeschlossen –, mochte es wieder drei Generationen dauern, sich von der Niederlage zu erholen. Eine Möglichkeit, mit der er sich jetzt nicht länger auseinandersetzen wollte.
Er stieg wieder in seinen Wagen, und sein Blick streifte die Werbebroschüre auf dem Beifahrersitz. Sie behauptete, dass Elmhurst Hall wie „ein Traumbild aus einem Märchen“ sei. Er hatte das für reine Marketing-Poesie gehalten.
Doch nun holte er tief Luft. Es war viel mehr als ein Traumbild. Es war atemberaubend.
Und es gehörte ihm.
Er drehte den Zündschlüssel herum und fuhr mit gemächlichen dreißig Stundenkilometern die Landstraße zum Herrenhaus hinunter. Zum Glück gab es keinen Verkehr, den er mit seiner Fahrweise aufhalten konnte.
Vor den riesigen schmiedeeisernen Toren musste er anhalten. Sie waren über drei Meter hoch und verriegelt – vermutlich um Bauern wie ihm den Zutritt zu verwehren. Dieser Gedanke brachte ihn wieder zum Lächeln. Was für ein Pech! Jetzt war er hier, und es gab nichts, womit der Rest der Familie Radcliff ihn aufhalten konnte.
Aus geringerer Entfernung betrachtet, wirkte das Gebäude nicht mehr ganz so prächtig. Lose herabhängende Regenrinnen und bröckelnder Putz ließen es wie eine alternde Diva aussehen, die ihre Glanzzeit hinter sich hatte, deren ehemalige Schönheit aber noch immer sichtbar war.
Er grinste. Welch eine Ironie, dass nun gerade der Enkel des verstoßenen Sohns der Familie über genügend Geld und vor allem die Fertigkeiten verfügte, um dieser alten Lady die erforderliche Schönheitsoperation zu verpassen. Offensichtlich hatte der verstorbene Lord Radcliff entweder nicht das nötige Geld oder kein Interesse an einer Renovierung gehabt.
Was für eine Verschwendung! Er hatte schon alte Häuser in einem wesentlich schlechteren Zustand vorgefunden, die nach der Restaurierung wieder märchenhaft ausgesehen hatten und nicht mehr erahnen ließen, wie heruntergekommen sie vorher gewesen waren. Das war sein Geschäft. Nun würde er hier seine Talente zum Einsatz bringen.
Links von ihm verlief eine kleine Straße. Er folgte ihr und gelangte auf einen großen, fast leeren Besucherparkplatz, wo er parkte und ausstieg.
Der Fußweg zum Herrenhaus führte durch einen großen ummauerten Garten. Will sah auf die Uhr. Mr. Barrett erwartete ihn um vier Uhr, und jetzt war es schon fast fünf vor. Er sollte sich lieber etwas beeilen. Das klapperige Gatter, von dem die grüne Farbe abblätterte, ließ sich leicht aufstoßen. Der Garten war nicht die ausgedehnte Grünfläche, die er erwartet hatte, sondern durch dicke Eibenhecken in kleinere Abschnitte unterteilt.
Nachdem er fünf Minuten lang versuchsweise verschiedene Richtungen eingeschlagen hatte, wurde ihm klar, dass die Anlage keiner Logik folgte. An einer Kreuzung blieb er stehen und versuchte zu erschließen, welcher der Wege der richtige sein könnte. Der vor ihm liegende Weg schien ganz offensichtlich zum Wohnhaus zu führen, aber aus der Erfahrung der letzten fünf Minuten wusste er, dass hier nichts so war, wie es schien.
Gerade wollte er sich für den Weg zu seiner Li