: Theresa Czerny
: Die Pferde von Eldenau - Galopp durch die Brandung
: Magellan Verlag
: 9783734804052
: 1
: CHF 8.90
:
: Jugendbücher ab 12 Jahre
: German
: 350
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Jannis' Turnierambitionen sind im Moment auf Eis gelegt, denn Dari, sein vielversprechendes Springpferd, lässt sich nach einem traumatischen Erlebnis nicht reiten. Stattdessen hilft er Frida, ihr Pony Liv für das alljährliche Strandderby fit zu kriegen. Das Derby hat Tradition: Seit Jahren ist es das Ereignis für Gut Eldenau, daher stürzen sich alle begeistert in die Vorbereitungen. Doch dann wird bei einem Reitunfall ein Mädchen verletzt und die Pferde des Guts geraten in Verruf. Sogar das Strandderby wird abgesagt. Ihre Ponys sollen unberechenbar sein? So ein Quatsch, findet Frida. Irgendwie müssen Jannis und sie das Gegenteil beweisen und damit nicht nur das Ansehen des Guts, sondern auch das Strandderby retten. Mit wem sie sich dabei anlegen, können sie ja nicht ahnen ...

Mit Wörtern Welten bauen - das Geschichtenerzählen hat Theresa Czerny immer schon fasziniert: zuerst als Zuhörerin, dann als Leserin, jetzt als Autorin. Den Zauber, den sie beim ersten Satz, auf der ersten Seite einer neuen Geschichte empfindet, möchte sie auch in ihren eigenen Büchern für Kinder und Jugendliche erlebbar machen.

Frida


Und was jetzt?«

Wir hatten gerade eine Dreiviertelstunde im einzigen ernst zu nehmenden Buchladen von Buddenwalde zugebracht (die anderen beiden hatten keine Pferdefachbücher im Sortiment). Die letzten zwanzig Minuten davon (so groß war die Pferdebuchauswahl dann auch nicht) hatte ich Linh dabei zugesehen, wie sie mit konzentriert gerunzelter Stirn den größeren Teil ihrer vorausgewählten Bücher zurück ins Regal stellte, einzelne wieder herausholte und andere einsortierte.

Gerade nahm sie mit einem zufriedenen Lächeln, als hätte sie richtig was geleistet, den Stoffbeutel mit ihren vier Errungenschaften in Empfang, drehte sich zu mir und sagte: »Jetzt brauche ich eine Stärkung.«

Gegen einen Eisbecher hatte ich trotz der gefühlten zehn Grad minus draußen nichts einzuwenden, also machten wir uns auf den Weg zu unserer Lieblingseisdiele, die am anderen Ende der Fußgängerzone lag. Sie war wie immer ziemlich voll, aber wir bekamen noch einen Minitisch am Fenster.

»Lass mal sehen, was du gekauft hast.« Linh griff nach meinem Rucksack und zog die beiden Bücher heraus. »›Neue Ideen für die Bodenarbeit‹ und ›Anatomie von Pferd und Reiter‹.« Sie zog die Augenbrauen hoch.

»Was denn?«, verteidigte ich mich. »Zu Pferdeverhalten hatten sie nichts Neues da.«

Linh lachte. »Frida, du bist echt süß. Aber willst du nicht mal was Normales lesen?«

»Was ist an Pferdeliteratur nicht normal?« Ich sah auf, als der Kellner an unseren Tisch kam, und sagte: »Drei Kugeln Erdbeereis mit Sahne, bitte.« Nachdem Linh einen Cappuccino und einen Schokoeisbecher bestellt hatte, fügte ich grinsend hinzu: »Außerdem zwingst du mich sowieso, deine Lieblingsbücher zu lesen. Da vertraue ich doch gleich auf die Expertin.«

Linh verdrehte die Augen, schmunzelte aber. »Kannst du auch. Trotzdem muss dir dieses Zeug doch mal langweilig werden. Du weißt doch schon alles über Pferde.«

Ich schnaubte. »Bitte! Über Pferde kann man gar nicht alles wissen. Dasselbe könnte ich von dir behaupten. Du weißt doch auch alles über das Leben von Teenagern.«

Weil der Kellner gerade unsere Bestellung brachte, verkniff sie sich ein Kichern, doch kaum war er verschwunden, verzog sie das Gesicht. »Schön wär’s. Aber bloß weil ich ein Teenagerleben habe, heißt das nicht, dass ich dafür Profi bin.«

Gespielt entsetzt schaute ich sie an. »Nicht? Wen soll ich denn sonst um Rat fragen, wenn ich mal wieder gar nichts kapiere?«

Sie boxte mir gegen die Schulter. »Für deine Probleme reicht’s noch.« Ihre Augen wurden schmal, als ihr Blick von meinem Gesicht zu meiner Brust wanderte. »Und eines rate ich dir ganz dringend: Du brauchst einen neuen BH.«

Ich war so unvorsichtig gewesen, mir einen großen Löffel Eis in den Mund zu schieben, deswegen dauerte es einen Moment, bis ich einigermaßen deutlich sagen konnte: »Ich habe mich gerade verhört, oder?«

»Ist so!«

Anscheinend machte ich ein ziemlich komisches Gesicht, denn Linh bebte vor unterdrücktem Lachen.

»Frida«, gurrte sie, »du wirst jetzt zur Frau.«

Möglichst unauffällig sah ich an meiner Vorderseite nach unten. Hm. Hatte Linh womöglich recht?

Ihr war mein Blick natürlich nicht entgangen. »Sei doch froh, bei dir tut sich wenigstens was.« Sie seufzte tief. »Mein Busen hat Erbsengröße.«

»Na ja.« Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. »Rosenkohl.«

Keuchend holte sie Luft und warf in einem Moment der Sprachlosigkeit ihre Eiswaffel nach mir. Grinsend fing ich sie auf und biss hinein, und irgendwie löste das bei ihr einen Lachflash aus, der erst in einem Schluckauf endete.

Als sie sich wieder beruhigt und die Tränen aus den Augen gewischt hatte, legte sie mir einen Ellbogen auf die Schulter, beugte sich zu mir und guckte mich mit flatternden Lidern an. »Biiiiitte. Bitte lass uns einen BH kaufen gehen.«

*

Die Verkäuferinnen in dem Unterwäscheladen blickten alarmiert auf, als Linh und ich immer noch kichernd zur Tür hereinkamen. Sie schienen kurz zu diskutieren, dann löste sich die jüngste aus der Gruppe. Sie war klein, dunkelhaarig und ziemlich kurvig, und sie machte ein Gesicht, das deutlich ausdrückte, wie viel Lust sie hatte, uns zu bedienen.

Sie ging auf uns zu und versuchte sich an einem freundlichen Lächeln. »Was kann ich für euch tun?«

Angesichts der zwei Millionen Wäscheteile, die hier in Reih und Glied an den Kleiderstangen hingen, war die Frage wahrscheinlich rhetorisch gemeint. Linh kriegte aber sofort die Kurve und legte ihr seriösestes Verhalten an den Tag.

»Meine Freundin hier«, sie deutete auf mich, als würde noch ein Dutzend Mädchen um sie rumstehen, »trägt bisher ausschließlich Sport-BHs und sucht nun etwas … Fraulicheres.«

Ich musste mir auf die Lippe beißen, um die Fassung zu wahren, aber Linh hatte die Verkäuferin mit diesem Satz schon auf ihrer Seite. Ihre Augen leuchteten auf.

Sie führte uns zu einer Abteilung, in der offensichtlich die nicht ganz so teuren Modelle hingen – im Vorbeigehen hatte ich mal auf ein Preisetikett gelinst: neunundsechzig Euro! –, und dann begannen sie und Linh ein Fachgespräch über mit und ohne Bügel, Pads und Push-ups, Microfaser und Tüll, bei dem ich mich fragte, wie lange Linh das Thema schon beschäftigte. Baumwolle war doch auch okay.

Die beiden verfrachteten mich in eine Umkleidekabine und reichten mir gefühlt fünfzig verschiedene Modelle hinein. Bei den ersten musste ich mich mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass sie mich zur öffentlichen Begutachtung aus der Kabine zerrten, weshalb Linh schließlich hereinkam und sich auf den Stuhl neben dem Spiegel setzte und die Verkäuferin immer wieder höflich hüstelte, wenn sie wissen wollte, ob sie gucken durfte. Am Ende hatten sie vier Favoriten ausgewählt, aus denen ich gnädigerweise die zwei aussuchen durfte, für die mein hart erspartes Taschengeld draufgehen sollte.

Alles in allem war diese Unterwäschekaufaktion weniger peinlich verlaufen, als ich sie mir ausgemalt hatte. Das dachte ich jedenfalls bis zu dem Moment, in dem die Verkäuferin mir die kleine Tragetasche hinhielt, mich anlächelte und sagte: »Die sehen wirklich sexy aus. Dein Freund wird Augen machen.«

Ich hatte das Gefühl, meine Ohren würden explodieren. Kalt blickte ich sie an. »Das kann schon sein. Aber ich habe die BHs gekauft, weil sie bequem sind. Immerhin muss ich die Dinger rumtragen, da soll nicht auch noch was kneifen.«

*

Vier Stunden später hatte Linh aufgehört, sich über »meine Dinger« kaputtzulachen, wir hatten Falafel gegessen und waren im Kino gewesen. Müde und zufrieden saßen wir auf der Rückbank von Herrn Phams Auto und ließen uns nach Hause fahren.

Als er bei uns im Hof wendete, umarmte Linh mich und sagte: »Das war schön. Das machen wir bald wieder.«

Ich drückte sie und grinste. »Ja. Das nächste Mal, wenn dein Freund in Köln ist und seinen Vater besucht.«

Mein neckender Ton prallte völlig an ihr ab. Treuherzig lächelte sie mich an. »Von Max soll ich dich übrigens schön grüßen.« Während ich lachend ausstieg, meinte sie noch: »Lass uns morgen wegen deinem Video telefonieren. Vielleicht habe ich dann mehr herausgefunden.«

Einen Augenblick lang kapierte ich gar nicht, dass Linh über die Biker redete, so unwirklich kam mir ihr Auftritt im Naturschutzgebiet mittlerweile vor. Ich nickte knapp, dann winkte ich Herrn Pham zu und bedankte mich. Mit langen Schritten lief ich durch den eisigen Wind die paar letzten Meter zur Haustür.

Das Erste, was mir entgegenschlug, als ich aufschloss, war ein durchdringender Geruch nach Pizza und Zwiebeln, das Zweite noch durchdringenderer Gesang.

»… or this could be hell.«

Mama besuchte übers Wochenende Luise in Neubrandenburg, anscheinend hatten Papa und Theo die Gelegenheit für eine ihrer Jamsessions genutzt. Allerdings … Es klang, als wäre noch eine dritte Stimme dabei.

Ich schlüpfte aus meinen Schuhen, hängte Mantel und Schal an die Garderobe und schlich Richtung Wohnzimmer.

»Welcome to the Hotel California …«

Verblüfft blieb ich im Türrahmen stehen, als ich Jannis zwischen Papa, Theo, ihren Gitarren, Pizzaschachteln und Schüsseln voller Chips auf dem Boden sitzen sah.

Theo blickte auf, fing an zu grinsen und machte eine einladende Armbewegung, ohne mit dem Singen aufzuhören. »What a nice...