: Raynor Winn, Christa Prummer-Lehmair, Heide Horn, Rita Seuß
: Überland
: DUMONT Reise ein Imprint von MAIRDUMONT
: 9783616031873
: DuMont Welt - Menschen - Reisen E-Book
: 1
: CHF 14.30
:
: Europa
: German
: 352
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Mit den E-Books der DuMont Welt - Menschen - Reisen sparen Sie Gewicht im Reisegepäck und können viele praktische Zusatzfunktionen nutzen!

Das E-Book basiert auf: 1. Auflage 2022, Dumont Reiseverlag

Die Geschichte von Raynor und Moth geht weiter: Nachdem sie Haus und Hof verloren hatten und den über 1000 Kilometer langen South West Coast Path gewandert waren, fanden sie in einer Farm in Wales eine neue Heimat. Moths Gesundheit stabilisierte sich, die Farm zu neuem Leben zu erwecken, war Herausforderung und Glück zugleich. Doch Stillstand ist keine Option für die beiden und so brechen sie erneut zu einer großen Wanderung auf, die sie erst durch das schottische Hochland und dann durch die schönsten und wildesten Landstriche Englands führt. Die Umstände sind andere als vor ein paar Jahren, doch die Fragen an das Leben, Raynors Glaube an die heilende Wirkung der Natur und die Liebe zwischen ihr und Moth sind geblieben. Ein Buch, das Mut macht!

Tipp: Setzen Sie Ihre persönlichen Lesezeichen an den interessanten Stellen und machen Sie sich Notizen... und durchsuchen Sie das E-Book mit der praktischen Volltextsuche!



<p>Seitdem Raynor Winn den kompletten South West Coast Path gelaufen ist, unternimmt sie regelmäßig Fernwanderungen und schreibt über Natur und Wildcampen. Sie lebt derzeit mit Ehemann Moth und Hund Monty in Cornwall. Ihr erstes Buch, 'Der Salzpfad', wurde ein internationaler Bestseller.<br /></p>

1 Aus einem monotonen Grau treten kaum merklich die Töne einer fahlen Dämmerung hervor und ziehen sich durch den Raum, von ihrer nahezu weißen Quelle bis in die dunkelsten Winkel. Ein Lichtnebel, der in den Morgen kriecht. Ich weiß, dass das Zimmer Farben hat, aber sie sind verhüllt, verwaschen zu Schwarz-Weiß-Schattierungen. Über allem liegt schwer eine undurchdringliche Stille, die ich nicht zu stören wage. Ich schließe die Augen und versinke in dieser Stille, blende das Licht und den neuen Tag aus.

Doch die Dunkelheit bietet mir keine Zuflucht, sie birgt noch die nackte, ungeschminkte Wahrheit der Nacht, und so bin ich gefangen in der Morgendämmerung, zu traurig, um zurück-, und zu ängstlich, um vorwärtszugehen. Das Licht wird heller, es vertreibt das Grau, lässt Formen in gedämpften Farben erahnen und zieht mich in die Unausweichlichkeit des Tages. Langsam bewege ich mich durch das zunehmende Licht, ein grauer Wollpullover kratzt auf meiner kalten Haut, aber als ich leise die Tür etwas weiter öffne, stockt sein Atem. Ich halte inne, reglos, warte darauf, dass die Schrecken der Nacht zurückkehren, doch dann setzt wieder ein leiser Atemrhythmus ein, und ich schlüpfe durch die Tür, hinaus in den Morgen.

Draußen hängt weiß und nass der Nebel. Ich gehe vom Haus zur alten Obstwiese mit ihren knorrigen, sich dunkel abzeichnenden Bäumen, deren flechtenbewachsene Äste vor Feuchtigkeit triefen. Weiter den Hügel hinab verblassen ihre Konturen zu Weiß, bis sie ganz verschwinden und sich in Wasser und Luft auflösen. Der Bach fließt schnell zwischen der hohen Eiche und der Esche am Fuß des Abhangs hindurch, unsichtbar im dicken Nebel, der das Tal bis hinunter zum Flussarm einhüllt. Nur das Plätschern des Wassers deutet darauf hin, wie stark es bei dem Unwetter letzte Nacht geregnet hat. Unser kleiner weißer Hund ist auch irgendwo da unten, jagt Fasanen nach, die flügelschlagend und mit Warn­rufen aus dem Unterholz hervorstürzen. Er taucht am verwilderten Rand der Wiese aus dem hohen Gras auf, rundum glücklich, wie seine Körperhaltung verrät; sein Morgen ist bereits ein Erfolg. Die Rehe äsen anscheinend irgendwo anders, vielleicht im Wald unten am Fluss, sonst wären auch sie zwischen den Bäumen hervorgebrochen. Der laute Moment ist vorbei. Als ich die Obstwiese verlasse, verhallt sogar das Plätschern des Baches, und die Stille kehrt zurück in die neblige Luft.

Im Haus kriecht Monty in seinen Hundekorb unter dem Tisch, das lange Fell verfilzt von Nässe und kleinen Zweigen. Er fällt in einen seligen Schlaf, während ich den Kessel aufsetze und Tee koche. Im Haus ist die Stille noch undurchdringlicher als auf der Obst­wiese, doch die absolute Lautlosigkeit beruhigt mich, und ich hülle mich darin ein, als ich es mir im Sessel gemütlich mache und der Becher meine Hände wärmt. Die nasse Januarkälte dringt in jede Ritze des Hauses. Ich könnte den Holzofen anmachen, aber von dem Lärm würde Moth aufwachen, der noch im Bett liegt, deshalb schalte ich nur ein kleines Elek­troheizgerät ein und kuschele mich in eine Jacke. Vielleicht ist es die Wärme, die sich allmählich in dieser Ecke des Zimmers ausbreitet, oder die beruhigende Wirkung des heißen Tees, aber als die Erinnerungen an die Nacht zurückkehren, wehre ich sie nicht ab, sondern lasse sie zu und betrachte sie aus der Di