KAPITEL1
Amy
Ich war von zu Hause abgehauen und irrte durch die Straßen von Santa Barbara, kämpfte dabei mit meinem schlechten Gewissen und meinem Körper.
Verdammte Übelkeit.
Verdammte Müdigkeit.
Die Hitze des Tages tat ihr Übriges. Sie flimmerte auf dem Asphalt und ließ meinen Blick verschwimmen. Ich sehnte mich nach meinem Bett, doch ich hatte eine Mission und sah gar nicht ein, jetzt aufzugeben.
Endlich fand ich, wonach ich suchte: das kleine Tattoo-Studio, das ich im Internet entdeckt hatte. Es hatte gute Bewertungen, warb mit kurzen Wartezeiten und befand sich in einer ruhigen Seitengasse am Rand von Santa Barbara, etwa eine Meile von meinem Elternhaus entfernt. Eine Strecke, die ich in meinem Zustand gerade so noch hatte gehen können.
Ich war ein wenig enttäuscht vom Äußeren des Studios, das trostlos zwischen zwei Flachdach-Häusern stand. Da war kein riesiges Werbeschild über der Haustür. Nicht einmal Bilder hingen im Schaufenster. Lediglich ein Schriftzug klebte in schlichten Blockbuchstaben auf der Fensterscheibe:Dan’s Studio. Auch der Name zeugte von wenig Kreativität. Doch ich wusste, dass der Schein durchaus trügen konnte. Außerdem war es für einen Rückzieher jetzt ohnehin zu spät. Ich war zu müde und musste mich dringend setzen.
Tief durchatmen, befahl ich mir und kämpfte gegen den Schwindel und die Magenkrämpfe an.Nicht kotzen. Nicht zusammenbrechen. Weiter!
Bevor ich es mir anders überlegen konnte, riss ich etwas zu schnell die Tür des Ladens auf, kam ins Straucheln und wäre beinahe vornüber auf die Nase gefallen. Die Eingangsglocke untermalte meinen dramatischen Auftritt mit einem fröhlichenKlingeling! Ich fing mich in letzter Sekunde und stolperte zum Tresen. Er war aus Metall und wackelte bei meiner Berührung, genauso wie die blöde Perücke auf meinem Kopf.
Wenn ich die nächste Woche überlebe, besorge ich mir eine bessere, schwor ich mir. Das verdammte Ding war mir viel zu groß. Es hatte meinem Bruder gehört, ihm allerdings genauso wenig gepasst wie mir. Irgendwann war man jedoch an einem Punkt, wo so was einen nicht mehr störte.
»Komme gleich!«, rief mir eine dunkle Männerstimme zu. Ich sah mich suchend um, fand aber nur einen riesigen Paravent mit aufgedruckten Kranichen, der den Eingangsbereich vom Rest des Studios abtrennte. Der Sichtschutz hielt neugierige Blicke von den Kunden fern, verdeckte aber nicht das Summen der elektrischen Tätowiermaschine.
Ein Kribbeln jagte über meine Haut und durch meinen Körper. Eine Mischung aus Angst und Vorfreude. Tätowieren konnte gewiss nicht schlimmer sein als eine Chemotherapie. Ein Spaziergang im Vergleich. Hoffentlic