: Karoline Eisenschenk
: Bluternte Ein Niederbayern-Krimi
: Allitera Verlag
: 9783869069951
: 1
: CHF 8.90
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 448
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gregor Cornelius, emeritierter Münchner Geschichtsprofessor, freut sich auf einen erholsamen Kurzurlaub im niederbayerischen Neukirchen. Anstatt der ländlichen Idylle erwartet ihn jedoch eine äußerst aufgeheizte Stimmung: Geht es nach einem ortsansässigen Bauunternehmer, soll schon bald in unmittelbarer Nähe zum Dorf ein Freizeitpark entstehen. Gegner und Befürworter sind nicht gut aufeinander zu sprechen. Nachdem mit Konrad Stadler auch der letzte Landwirt einknickt und einem Verkauf seiner Felder zustimmt, scheint das Projekt beschlossene Sache zu sein. Bis Cornelius bei einem Morgenspaziergang die Leiche des Landwirts findet ...

Karoline Eisenschenk, geboren 1975, veröffentlichte unter dem Pseu­donym Katelyn Edwards die Kriminalromane »Der Shakespeare-Mörder« und »Pfadfinderehrenwort« (beide 2011). Nach ihrem Studium der englischen Sprach- und Literaturwissenschaft lebt sie heute in Geiselhöring und arbeitet in München. Im Allitera Verlag sind von ihr die Niederbayern-Krimis »Walpurgisnacht« und »Der letzte Tanz« erschienen.

Kapitel 2


Anna Leitner saß vor dem Spiegel des Friseursalons in Altenberg und beobachtete Tanja Rohrbach beim Glätten ihrer Locken. Nichts entspannte die Wirtin so sehr, wie ausnahmsweise jemand anderem bei der Arbeit zuzusehen, vor allem wenn dieser so geschickt vorging wie Tanja. Deshalb hatte sie auch nicht lange gezögert, als die angehende Friseurmeisterin sie vor einigen Tagen gebeten hatte, noch einmal Modell zu sitzen. Es war schon nach Feierabend und außer den beiden Frauen niemand mehr im Salon.

»Um deine Prüfung musst du dir keine Sorgen machen. Du bist die Einzige, die meinen Krautkopf zähmen kann«, stellte Anna zufrieden fest.

»Du hast doch keinen Krautkopf. Du musst einfach öfter das Glätteisen benutzen.« Wie zur Bestätigung ihrer Worte hielt Tanja die kleine Wunderwaffe in den Spiegel, ehe sie sich an der nächsten Haarsträhne zu schaffen machte. »Magst du nicht vielleicht doch ein paar Aufheller …«

»Nix da«, wurde sie sogleich von Anna unterbrochen. »Bleib mir bloß mit deinem Farbtopf vom Leib. Solange ich nicht grau werde, lassen wir alles, wie es ist.«

Da Tanja zu ihrem Leidwesen kein einziges graues Haar in Annas dunkelbrauner Lockenmähne entdecken konnte, würde es auch an diesem Abend nichts mit einem Farbexperiment werden.

»Wenn ich für die Prüfung übe, kostet es dich doch nichts«, startete Tanja einen letzten Versuch.

»Mir geht es nicht ums Geld«, entgegnete Anna. »Ich verspreche dir, du wirst die Erste sein, die ich anrufe, sollte ich eines Tages ein graues Haar finden.«

Tanja schnitt eine Grimasse in Richtung Spiegel.

»Bist du froh, wenn die Prüfung endlich vorbei ist?«

»Das kannst du laut sagen. Eigentlich wäre ich ja schon längst fertig, aber nach der Sache im Februar hat es doch eine Zeit gedauert, bis ich wieder ganz fit war.«

Anna war unfreiwillig Augenzeuge gewesen, als Tanja vor einigen Monaten mit einer blutenden Kopfwunde und einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Mit Schaudern dachte sie an die nächtlichen Vorkommnisse im Nachbarhaus des Friseursalons zurück, wo sich die Apotheke von Dr. Benedikt Rehberg befand. Dessen Neffe hatte Tanja damals in Panik niedergeschlagen, nachdem sie ihn beim Stehlen von Medikamenten überrascht hatte. Der Vorfall hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet und Benedikt Rehberg seit jener Nacht nicht nur in der Kreisstadt, sondern auch in Neukirchen, an dessen Dorfrand er eine protzige Villa bewohnte, einen schweren Stand bereitet. Dass er davor bereits das Ende seiner Ehe verkraften musste, weil seine Frau sich für den Umzug aufs Land mit einer Liebesaffäre rächte, heizte die Gerüchteküche nur noch mehr an.

Obwohl Anna die überhebliche Art des Apothekers nicht mochte und nie viel mit ihm zu tun gehabt hatte, hatte sie doch bemerkt, dass er sich kaum mehr im Dorf blicken ließ. Auch ihren Gasthof mied er und wie sie vor einiger Zeit erfahren hatte, war er sogar als Sponsor der Neukirchner Fußballmannschaft zurückgetreten. Schon wurden Stimmen laut, dass die Apotheke vor der Insolvenz stehen und Benedikt Rehberg die Villa verkaufen und nach München zurückkehren würde. Womöglich hatte der Dorfklatsch nicht ganz Unrecht, denn wann immer Anna in derPalmen Apotheke einkaufte, war sie die einzige Kundin im Laden.