DIESSEN
Marienmünster: Mechanik der Mysterien
Das Marienmünster hoch über Dießen: ein Dampfer, der nicht im, sondern um den Ammersee herum seine Fahrt aufnimmt, ein Kirchenschiff ständig in Bewegung. Alles wurlt, ein großes Spiel. Man weiß gar nicht, wo zuerst hinschaun. Dabei darf man gar nicht durch den Haupteingang ins Innere, damit nicht zu viel Wind und Feuchtigkeit hereinkönnen in die Kirche, sondern nur durch einen Nebeneingang, der an Shop und Toiletten vorbei ins Innere führt.
In die Hölle möchte man nicht, zu den Verlorenen, Verdorbenen, Verzweifelten gleich rechterhand nach dem Eingang, obwohl ihr Künstler auch nicht grad von schlechten Eltern ist: Franz Xaver Schmädl, geboren 1705, gestorben 1777 in Weilheim. Im ganzen Pfaffenwinkel ist er präsent – und wie! Dabei war der eher dekorative Stil der bekannten Wessobrunner Schule nicht sein Weg. Bei ihm spielt das Rokoko in der bäurischen Welt, und zwar in der bäurischen Vorstellungswelt wie auch in den Gesichtern und Gewändern der Abgebildeten. In seinem späteren Lebenswerk kann man aus heutiger Sicht schon Anklänge an den Klassizismus erkennen. Von ihm stammt dieser Kerkeraltar, aber von ihm stammt auch der Taufaltar auf der anderen Seite, und das ist auch der Weg, den man in dieser Kirche gehen kann: zur Erlösung, zum Heil, freilich in dem Bewusstsein, was einem blüht, wenn man ihn nicht geht.
Auf dem Deckel vom Taufbecken tummelt sich eine geradezu unglaubliche Gruppe. Der Schlange wachsen Flügel, also ist die Schlange wohl ein Drache. Dem Drachen steckt ein Apfel im Maul, der auch die ganze Erde darstellen könnte, auf jeden Fall handelt es sich natürlich um die Sünde. Adam und Eva lassen grüßen. Aber die Sünde kann den Engeln nichts anhaben, denn obwohl die Engerl ein bissl gwampert sind und alle ein kleines Bäuchlein mit sich herumschleppen, was für Vögel eher ungünstig wäre, können sie wunderbar und leicht fliegen. So leicht, dass das eine Engerl sogar noch ein Wagerl mit sich hinaufnimmt in den Himmel, und auf dem Wagerl thront auch noch ein Lamm, das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt, und über dem Lamm kräuselt sich noch eine Wolke heraus, und aus dieser Wolke heraus blitzt ein goldenes Dreieck, in dem eine Taube flattert, der Heilige Geist, der sogar noch über dem Lamm Gottes schwebt, aber schweben tun ja alle, und sie schweben gemeinsam, denn der Himmel ist auch auf Erden, zumindest in Bayern, zumindest in Bayern an ein paar besonderen Orten. Johannes der Täufer ist natürlich auch mit von der Partie, aus dem Buch mit den sieben Siegeln hängen folgerichtig die sieben Siegel heraus und begeben sich mit auf die Reise dieser Himmelfahrt – und diese ganze unglaubliche Gesellschaft dreht sich in einer einzigen Bewegung, in der die Heiligkeit der ganzen Schöpfungsgeschichte gegenwärtig wird, aus dem Taufbecken heraus, welches in Form eines Eis gestaltet ist. Aus dem Ei entsteht alles Leben.
Über diesem wundersamen