: Ivana Dobrakovová
: Mütter und Fernfahrer
: Residenz Verlag
: 9783701746811
: 1
: CHF 14,40
:
: Erzählende Literatur
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein irrwitziger, transnationaler Reigen rund um fünf junge Frauen auf der Suche nach Selbstbestimmung, Freiheit und Sex Witziger und pointierter ist selten vom Dilemma zeitgenössischer Weiblichkeit erzählt worden: Zwischen den unerfüllbaren Forderungen der allgegenwärtigen Mütter und der Sehnsucht nach den stets abwesenden, verlockenden 'Fernfahrern' versuchen fünf Frauen in Bratislava und Turin, ihr eigenes Leben zu leben. Familienbande erweisen sich dabei als genauso verhängnisvoll wie die Anforderungen des oftmals virtuellen Datings mit all seinen (falschen) Versprechungen. Ivana, Lara, Olivia, Gloria und Veronika sind hinreißend widerständige Frauen, die sich mit Humor und ungewöhnlichen Lösungen gegen die alltäglichen Zumutungen wehren und auf ihrem Glücksanspruch beharren.

Ivana Dobrakovová, geboren 1982 in Bratislava, Dolmetsch- und Übersetzerinnenstudium für Englisch und Französisch an der Comenius Universität. Für ihren Kurzgeschichten-Band 'Der erste Tote in der Familie' (2009) erhielt sie den Ján Johanides Preis für das beste erste Buch, 2010 stand sie mit ihrem Roman 'Bellevue' auf der Shortlist des Anasoft Preises. Für 'Mütter und Fernfahrer' (2018) wurde sie mit dem EU Literaturpreis ausgezeichnet, das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Ivana Dobrakovová lebt in Turin als Übersetzerin u.a. der Werke von Elena Ferrante ins Slowakische.

VATER


Ich greife eine Szene heraus, behaupte aber nicht, dass sie typisch wäre, ich kenne sie auch nur aus Erzählungen, denn ich selbst habe Bilder dieser Art nicht mehr vor Augen: Ich sitze neben meiner Schwester im Wohnzimmer auf der Couch und wir schauen Märchenfilme. Meine Schwester ist vier Jahre älter als ich, sie mag zu jener Zeit sechs gewesen sein, ich knapp zwei, Vater ist in der Küche. Wir wohnen auf dem Burghügel in der Nähe der Mudroňova Straße, im nobelsten Viertel von Bratislava, in der Garage haben wir einen schönen Ford, im Wohnzimmer einen Kamin und vom Balkon aus Blick auf Österreich. Ich gehe schon seit einem Jahr in den Kindergarten, denn meine Eltern arbeiten beide.

Mutter kommt heim, kaputt von der Arbeit, mit Einkäufen behängt, und so findet sie uns vor. Meine Schwester bis an die Knie voller Rotz, weswegen Mutter wenigstens nicht merkt, dass ich, ihre kleine Schwester Svetlana, mich völlig zugeschissen habe, bis zum Rand der Windel, der Vater, richtig, ist in der Küche, doch er schläft, sein Kopf ist aufs Tischtuch gesackt, daneben eine Flasche. Irgendwas. Weitere Erläuterungen sind unnötig, man weiß Bescheid.

Ich möchte dazu aber etwas erklären. Vater lebte nicht mit uns. Er kam des Öfteren unter der Woche vorbei und übernachtete bei uns, seinen ständigen Wohnsitz hatte er aber wo