DURCH DAS FREMDE ZU SICH SELBST FINDEN
Eine Sprachgeschichte des deutschen Pop
»Wann, tuu, zriee, forr, läts go.« Ein junger Mensch steht vor einem Spiegel und versucht, die Posen einzuüben, die er oder sie sich bei einem bewunderten Popstar abgeschaut hat: die Coolness, den Glamour, die Souveränität. Vielleicht ist dies eine der Urszenen des deutschen Pop. Man versucht, sich in eine fremde Subjektivität hineinzufühlen, die einem größer, interessanter, weltläufiger als die eigene erscheint. Das geschieht überall auf der Welt, wo junge Menschen großen Popstars nacheifern. Aber in Deutschland gehört zu dieser Einübung fast immer auch die Verwendung einer fremden Sprache. Denn cooler, glamouröser Pop wird nicht auf Deutsch gesungen, sondern auf Englisch. Oder in einer Variante des Deutschen, die sich von der Sprache des täglichen Lebens unterscheidet – durch ihr Vokabular, ihren Akzent, ihre Vermischung mit anderen Sprachen, Dialekten, Soziolekten. Wer sein will wie ein Popstar, möchte aus seinem eigenen Leben heraustreten. In Deutschland heißt das auch: Wer sein will wie ein Popstar, möchte aus seiner ganzen Kultur heraustreten und aus der Sprache dieser Kultur.
Zum Pop gehört wesentlich das Aufbegehren gegen die Elterngeneration; es ist typisch für jene biografische Zwischenphase, die man heute als Teenagerzeit bezeichnet, in der die Menschen keine Kinder mehr sind, aber auch noch nicht die Verantwortungslast des Erwachsenenlebens tragen. In dieser Phase kann man sich ausprobieren und auch darüber nachdenken, welchen Platz man in der Welt einnehmen möchte – zu welchem Menschen man werden will. Im deutschen Pop bedeutet dies oft auch: Man eignet sich andere Sprachen an, um die eigene Fremdheit in der Welt zu formulieren.
Das Eigene im Pop ist das Fremde. Oder anders