Kritiker von Sigmund Freud fanden harte Worte über ihn: »Seine Beziehung zur Geschichte zeugt von einer totalen Verleugnung. Die Geschichte war ausschließlich seine Geschichte, also die Geschichte der eigenen Person, aber nie die Geschichte seiner Zeit, in der er – ob er wollte oder nicht – lebte und in der sein Werk entstand. Er weigerte sich, sein Denken in einen zeitgenössischen Kontext zu stellen, also anzuerkennen, dass Einflüsse aus seinem Umfeld, Begegnungen mit anderen und das, was er gelesen hatte, eine Rolle spielten, er wollte alle Spuren seiner intellektuellen Entwicklung verwischen.«1
Solche Charakterisierungen wirken grob vereinfachend. Ein Zerrbild entstand. Die Sachlage war komplizierter und von Veränderungen geprägt. Freud hob beispielsweise die Rolle des Arztes, Philosophen und väterlichen Freundes Josef Breuer hervor, als es darum ging, die Genese seiner Theorien und Behandlungspraktiken zu beschreiben.2 Am Vorabend des Ersten Weltkriegs machte er sich jedoch zur alleinigen Schöpferfigur der Psychoanalyse. Die Einflüsse auf seine Arbeit blieben dennoch evident. Immer wieder legte er ausführliche Literaturberichte vor. Sein Wissenschaftsverständnis gebot es, die Forschungsentwicklung bis zu seinen eigenen Studien zu reflektieren und entsprechend wiederzugeben.
Das Denkmal, das Freud aufgrund seiner Leistungen und Entdeckungen errichtet wurde, hatte also mehrere Gestalter: jene, die sich ihm weitgehend unterordneten oder in ihm gar den Religionsstifter und Übervater sehen wollten; ebenso jedoch die Gegner, die mit »gehässigen Wortklaubereien« und Abwertungsversuchen die Aufmerksamkeit auf ihn lenkten und so zu seiner Unsterblichkeit beitrugen.3 Auch wohlgesonnene Biografen betonen indes Freuds »Gewohnheit, seine geistige Isolation zu dramatisieren«, seine Neigung, das eigene »Heldentum in starken Farben« selbstbewusst hervorzuheben, sich mit »welthistorischen Giganten« zu identifizieren und »seine Kämpfe« fantasiereich zu stilisieren.4
Sigmund Freud, sein unmittelbares Umfeld und sein Werk bedürfen in jedem Fall einer Einordnung in historische Entwic