Angestachelt vom Optimismus utopischer Parolen und den Furzideen einer grotesken sowjetischen Gigantomanie, formten wir unseren Traum. Auf der Jagd nach dessen Erfüllung fanden wir das Füllhorn – die Energie des friedlichen Atoms, Wunderwaffe der Volkswirtschaft und Leitstern auf dem Weg in die knallrote kommunistische Zukunft. Berauscht von der eigenen Größe, im lichten Glauben an das Gute, bauten wir in der Sowjetunion ein Atomkraftwerk nach dem anderen.
Tschernobyl war eines der leistungsstärksten. Die dazugehörige Stadt Prypjat wuchs und konnte sich sehen lassen, gepflegte Hochhäuser ragten auf, über den Dächern prangten stolz gigantische Transparente, auf den beschaulichen Spielplätzen tobten Kinder.
Ein Supermarkt und ein Restaurant wurden eröffnet, und Annoncen wieTausche Wohnung in Odessa gegen Wohnung in Prypjat erstaunten niemanden. In der Einöde Polessiens wirkte die Kraftwerksstadt wie eine Utopie aus dem All: schnelles Wachstum, steigender Wohlstand und bombastische Perspektiven. In Planung war sogar eine Uferpromenade mit Brücken, Laternen und ländlicher Idylle. Schon waren weitere Reaktorblöcke im Bau, am Horizont winkten Glück und Freude in Reinform.
Bis irgendwann der vierte Reaktorblock in die Luft flog und alles im Arsch war. Tschernobyl, der Stern Wermut, war, wie in der