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»Wir kriegen Besuch.«
Terry McCaleb sah seine Frau an und folgte dann ihrem Blick auf die gewundene Straße hinab. Er konnte den Golfcart die steile, kurvenreiche Straße zum Haus heraufkommen sehen. Der Fahrer war durch das Dach des Gefährts verdeckt.
Sie saßen auf der hinteren Terrasse des Hauses, das er und Graciela in der La Mesa Avenue gemietet hatten. Die Aussicht reichte von der schmalen, kurvenreichen Straße unterhalb des Hauses bis nach Avalon und seinem Hafen und dann über die Santa Monica Bay hinaus zu der Smogschicht, die das Festland anzeigte. Diese Aussicht war der Grund dafür gewesen, dass sie sich bei ihrem Umzug auf die Insel für dieses Haus entschieden hatten. In dem Moment, in dem seine Frau sprach, hatte sein Blick jedoch auf dem Baby in ihren Armen geruht, nicht auf der Aussicht. Er konnte nicht weiter sehen als bis zu den großen blauen vertrauensvollen Augen seiner Tochter.
McCaleb sah die Mietnummer an der Seite des unter ihm vorbeifahrenden Golfcarts. Es war kein Einheimischer, der sie besuchen kam. Es war jemand, der wahrscheinlich mit der Catalina-Express-Fähre vom Festland gekommen war. Trotzdem fragte er sich, woher Graciela wusste, dass der Wagen zu ihrem Haus unterwegs war und nicht zu einem der anderen in der La Mesa.
Er fragte sie nicht danach – sie hatte schon öfter solche Vorahnungen gehabt. Er wartete bloß, und kurz nachdem der Golfcart verschwunden war, klopfte jemand an der Haustür. Graciela ging öffnen und kehrte wenig später mit einer Frau, die McCaleb drei Jahre nicht mehr gesehen hatte, auf die Terrasse zurück.
Sheriff’s Detective Jaye Winston lächelte, als sie das Kind in seinen Armen sah. Das Lächeln war aufrichtig, aber zugleich war es das zerstreute Lächeln von jemandem, der nicht gekommen war, um ein neugeborenes Baby zu bewundern. Der dicke grüne Ordner und die Videokassette, die sie bei sich hatte, konnten nur bedeuten, dass Winston in einer dienstlichen Angelegenheit hier war. In einer tödlichen dienstlichen Angelegenheit.
»Und, wie geht’s, Terry?«, fragte sie.
»Könnte nicht besser sein. Erinnern Sie sich noch an Graciela?«
»Aber natürlich. Und wer ist das da?«
»Das ist CiCi.«
In Anwesenheit anderer benutzte McCaleb nie den richtigen Namen seiner kleinen Tochter. Cielo nannte er sie nur, wenn er mit ihr allein war.
»CiCi«, sagte Winston und zögerte, als warte sie auf eine Erklärung des Namens. Als keine kam, fragte sie: »Wie alt?«
»Fast vier Monate. Sie ist sehr groß für ihr Alter.«
»Aber ja, klar, das sieht man … Und der Junge … wo ist er?«
»Raymond«, sagte Graciela. »Er ist mit Freunden unterwegs. Terry hatte einen Kunden, und deshalb ist er mit Freunden in den Park, Softball spielen.«
Die Unterhaltung war stockend und verkrampft. Entweder interessierte Winston das alles nicht wirklich oder sie war nicht an so banale Gespräche gewöhnt.
»Möchten Sie vielleicht was trinken?«, erkundigte sich McCaleb und reichte das Baby Graciela.
»Nein, danke. Ich habe auf der Fähre eine Cola getrunken.«
Wie auf ein Stichwort hin oder weil es sich ärgerte, von einem Händepaar zum nächsten weitergereicht zu werden, begann das Baby zu quengeln. Darauf sagte Graciela, sie würde es nach drinnen bringen, und ließ sie allein auf der Terrasse. McCaleb deutete auf den runden Tisch, an dem sie fast jeden Abend aßen, wenn das Baby schlief.
»Wollen Sie sich nicht setzen?«
Er bugsierte Winston auf den Stuhl