»Fährst du mit mir zur Hallig?«, fragte ich meine Freundin Lene.
»Ja klar! Ist das ein Festival?«
»So was Ähnliches«, lachte ich und erzählte ihr von der Stellenausschreibung.
Als wir dann in Nordstrand auf dem Deich standen, war jegliche Begeisterung für diesen Trip bei meiner Freundin verflogen.
»Ich hab ganz furchtbar geträumt, Ela. Du darfst da nicht hingehen! Da waren Zombies, die haben dich gebissen. Du wurdest auch ein Zombie. Das war voll schrecklich!«
Wir blickten nach Lüttmoor, wie Nordstrandischmoor auch genannt wird. Um uns herum blökten Schafe. Es sah eigentlich alles recht friedlich aus. Schrittchen für Schrittchen folgte ich den Schienen der Lorenbahn, die das Eiland über den Damm mit dem Festland verbinden. Dort in der Ferne war ein Rückzugsort, fernab vom Trubel, vom Termindruck, von Stress und Hektik, von Diskussionen und Machtkämpfen. Schwer erreichbar für neugierige und fordernde Menschen. Ohne Schiff oder Lore schien mir diese Distanz unüberwindbar. Dort wollte ich hin. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich verwandeln würde, fasste ich den Entschluss, dieses Abenteuer anzugehen. Mit dieser Entscheidung war der erste Schritt getan, doch bis sie in die Tat umgesetzt wurde, mussten noch zahlreiche weitere Schritte gegangen und viele Türen geöffnet werden.
»Das gibt’s doch nicht«, murmelte ich vor mich hin. Ich saß im Lehrerzimmer der Schule, die mir und meinen Kindern für das letzte Schuljahr Asyl bot. Es war niemand sonst im Raum, und so weckte meine Entrüstung auch kein Aufsehen. Bei Recherchen im Internet fand ich die Information, dass es für die Position der Halliglehrerin überhaupt keine offizielle Stellenausschreibung gab. Ich erfuhr, dass die Anzeige, die ich entdeckt hatte, lediglich ein Hilferuf besorgter Eltern war, die sich über die sozialen Netzwerke eine rasche Lösung erhofften. Die einzige Lehrkraft vor Ort war erkrankt, und der Platz sollte so schnell wie möglich wieder besetzt werden. Wenn das so einfach wäre. In der personalen Schullandschaft unseres Landes gab es Planstellen, unbefristete und befristete Stellen, Feuerwehrlehrkräfte, Springer, Abordnungen und jede Menge Bürokratie. Erkrankte eine Lehrkraft, bedeutete das nicht zwangsläufig, dass diese Stelle frei war. Sie musste zunächst unter bestimmten Voraussetzungen vertreten werden. Ich kannte das System, aber war froh, nicht in einer Position zu sein, die in solchen Belangen Entscheidungen treffen musste. Da hätte ich wahrscheinlich weitaus mehr unruhige Nächte gehabt.
Das Für und Wider hin und her gewälzt, die Konsequenzen abgewogen. Alles gestützt auf eine Fehlinformation. Die Tür, die sich hier in ein gänzlich anderes Leben geöffnet hatte, fiel einfach wieder zu.
»Na toll«, seufzte ich und stand auf. Ich nahm den Stapel Mathearbeiten, die ich meinen Kindern zurückgeben wollte. »Dann eben nicht. Es wird sich eine andere Tür öffnen.«
Doch dass diese Tür nicht wirklich geschlossen war, zeigte sich nur wenige Tage später. Als sich der Tag zur Ruhe legte, stöberte ich vor dem Einschlafen noch einmal durch die Internetseiten, die mich in den vergangenen Tagen so sehr in ihren Bann gezogen hatten. Darunter die Seite des Bildungsministeriums Schleswig-Holsteins mit den aktuellen Stellenausschreibungen – und dort stand es, ganz offiziell und klar bezeichnet. Das Land brauchte eine Halliglehrerin. Alles wieder auf