Ein Untermieter
Als Joe nach Hause kam, hielt er die Unterlagen von der Uni immer noch fest umklammert und hatte es nicht über sich gebracht, sie im Rucksack zu verstauen.
Aufgewühlt von dem Gelesenen und von seinen eigenen Schlussfolgerungen öffnete er das Tor, ging durch den Vorgarten, ins Haus und direkt hoch in sein Zimmer. Dort legte er die Unterlagen, die Interviews und die Filme zurecht, um sofort mit der Arbeit beginnen zu können.
Doch als er sich bückte, um seinen Computer anzuschalten, hielt er inne. War jemand im Garten? Er lauschte, aber konnte das Geräusch nicht noch einmal hören und auch durch sein Fenster war nichts zu erkennen – nur schönes Wetter.
Joe lachte leise, weil er so eine lebhafte Fantasie hatte. Vielleicht sollte er sich doch etwas Harmloseres als Doktorarbeit suchen – oder wenigstens einen Fall, bei dem der Täter schon dingfest war.
Allerdings war das Wetter wirklich traumhaft!
Nach kurzer Überlegung beschloss Joe, seinen Arbeitsplatz nach draußen zu verlegen. Er nahm die Zusammenfassung zur Hand, einen Block mit Stift, holte sich ein Wasser aus der Küche und ging auf die Veranda hinter dem Haus. Dort setzte er sich auf einen Stuhl, der zu einer kleinen Sitzgruppe gehörte, kam aber einfach nicht zur Ruhe.
Ob es an den Unterlagen lag, oder an dem Vorfall mit Justins Vater, konnte er nicht ergründen, aber die innere Unruhe zwang ihn beinahe augenblicklich wieder auf die Beine.
Er stand auf und schlenderte die Veranda entlang, einmal um das ganze Haus herum. Wie immer quietschten die Dielen auf der Frontseite, aber auch hinten bei der Sitzecke hatten sich einige der Bretter verzogen. Vielleicht sollte er einmal eine Woche opfern und versuchen, das Haus ein wenig herzurichten? Sein Blick blieb an dem Pool hängen. Es war kein Fertigpool, sondern einer aus echten Steinen und mit einem künstlichen Wasserlauf, der in einem breiten Fall endete und eine exquisite Beleuchtung aufwies. Für ihren Vater war immer nur das Beste gut genug gewesen. Aber er hatte ja auch handwerkliches Geschick gehabt und alles selbst gemacht. Joe versuchte, sich an ihn und sein Gesicht zu erinnern, aber es war zu lange her. Nur Bruchstücke tauchten in seiner Erinnerung auf. Sätze, Belehrungen, die Berührung einer Hand, sein Bart.
Aber genauso leer und schmutzig, wie der Pool war, war das Bild von seinem Vater in Joes Inneren unvollkommen und von den Jahren getrübt.
Ein wenig wütend auf sich selbst, weil er nicht gegen die plötzliche Melancholie ankam, schüttete sich Joe ein Glas Wasser ein. Er hob das Glas, setzte zum Trinken an, aber da war es wieder: das Gefühl, beobachtet zu werden.
Joe drehte sich um und da stand er. Ein Beobachter, mitten in seinem Garten!
Joe erstarrte vor Schreck. Erst ein Geräusch schreckte ihn auf, zerberstendes Glas. Instinktiv sah er nach unten. Trotzdem benötigte er einige Sekunden, um zu begreifen, dass er das Glas aus der Hand gefallen war.
Ein Einbrecher!, war sein nächster Gedanke und trotzdem konnte er sich nicht vollständig aus der Starre reißen, kam sich vor, w