I.
Raffael atmete die schale Luft ein. Nicht nur Kälte und Feuchtigkeit prägten den Duft. Auch der Geruch alten Rauches hing in der Dunkelheit.
So alten Rauches, dass er unmöglich von der Pechfackel stammen konnte, deren entferntes Licht fröhliche Schatten auf die Krypten zauberte und in deren Widerschein Raffael ein weiteres Kreidezeichen an einer Wegbiegung anbrachte.
Die weißen Pfeile auf den ursprünglich roten, und von der Zeit dunkel gefärbten, Ziegelsteinen, würden es dem Ermittler erlauben, den Rückweg an die Erdoberfläche zu finden.
Reglos wartete Raffael, bis sich der Schein der Fackel weit genug entfernt hatte. Erst dann schlich er leise in den nächsten Gang, hinter dem Lichtschein und dessen Träger her.
Die zunehmende Intensität des Geruchs nach altem Rauch bestätigte den Verdacht des Ermittlers. Sein Verdächtiger näherte sich dem Ort, an dem er seine dunklen und blutigen Rituale vollzog – und das regelmäßig.
Ein vorsichtiger Blick um die Ecke bestätigte Raffael, dass der Verfolgte ihn nicht bemerkt hatte und einen langen Gang entlang schritt, an dessen Ende der Ermittler eine Tür ausmachen konnte.
Raffael lehnte sich gegen die Mauer der Katakombe, ohne auf den Staub zu achten, der an seinem aus der Mode geratenen Brokatmantel von 1780 hängen blieb und das Schwarz des Stoffes für immer rötlichgrau färbte.
In wenigen Minuten würde er seinen Fall lösen und dann konnte er sich jeden Mantel kaufen, den er haben wollte. Keine beinahe zehn Jahre alte Kleidung mehr, keine Schulden, keinen schlechten Ruf, dafür einen Neuanfang.
Der Privatermittler lehnte seine Stirn gegen die zugemauerte Krypta eines Unbekannten und genoss die Grabeskälte, die seinen Körper langsam abkühlte und ihm dabei half, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren, statt in angenehmen Zukunftsträumen zu schwelgen.
Als ihn ein leises Geräusch darüber informierte, dass der Mann die Tür hinter sich geschlossen hatte, löste sich Raffael von der Wand.
Beinahe wünschte er sich, dass der Fall nicht so leicht zu lösen war, wie er sich ihm jetzt darstellte. Auf merkwürdige Art und Weise fühlte er sich enttäuscht.
Ein einziger Mann – ein ganz normaler Mann – war für all die schauerlichen Morde verantwortlich. Bald schon würde Raffael erfahren, wie es dem Mann gelungen war, die blutleeren Leichen unbemerkt zu transportieren und sich so schnell durch die Stadt zu bewegen, dass Zeugen aussagten, sie hätten den vermummten Täter zeitgleich am Vatikan und am Kolosseum gesehen.
Der Ermittler kramte in seiner rechten Manteltasche und fluchte leise, als er nur auf ein Loch im