3
Alle am Tisch waren müde, und keiner unternahm den Versuch, es zu verbergen. Die Runde gähnte und räkelte sich ungeniert. Die technischen Ermittlungen hatten bis in die Morgenstunden angedauert, und am Einsatzort würden sie noch bis zum Nachmittag weitergehen. Das Team von Susanna Manner war ins Präsidium gewechselt, nachdem alle Besucher des Nachtklubs medizinisch versorgt und nach Hause gebracht worden waren. Paloviita hatte erst einmal eine Kanne Kaffee gekocht und jedem eine große Tasse eingegossen. Er gähnte, rieb sich das Kinn und konnte seine unrasierten Bartstoppeln fühlen. Schon in der Nacht war ihnen klar gewesen, dass sich die Ereignisse wie ein Lauffeuer in Finnland und um die ganze Welt verbreiten würden. Die sozialen Medien waren bereits voll mit Fotos und Videoclips vom Tatort. Überall in Europa waren die Redaktionen gerade dabei, ihre Schlagzeilen zu formulieren.
Susanna Manner war ihnen allen immer noch ein Rätsel. Sie hatte im März als Leiterin des Kriminalkommissariats angefangen. Die Sechsunddreißigjährige hatte ein Polizeistudium absolviert und besaß einen Doktortitel der Rechtswissenschaften. Sie war aus dem zweihundert Kilometer weiter nördlich gelegenen Lapua nach Pori gezogen. In Lapua hatte sie erst als Polizeidirektorin und dann als Staatsanwältin beim Amtsgericht gearbeitet. Der frühere Leiter des Kriminalkommissariats Juhani Heinonen war als Spezialist ins Zentrale Kriminalamt nach Helsinki gewechselt und Jari Paloviita hatte ihn kurzzeitig vertreten. Doch dann waren Dinge vorgefallen, die ihn dazu gezwungen hatten, die Aufgabe abzugeben. Die Stelle wurde öffentlich ausgeschrieben, und Susanna Manner war aus einer Schar von über hundert Bewerbern als Beste ausgewählt worden. Einer neuen Chefin wurde fast immer mit Neugier, Zweifel, vielleicht auch Scheu begegnet. Doch in den wenigen Monaten, seit sie das Team leitete, hatte bisher noch keiner irgendetwas Negatives über sie zu sagen gewusst. Ganz im Gegenteil. Allerdings hatten bis jetzt alle mehr oder weniger darauf gewartet, wie sie sich in einem wirklich großen Fall verhalten würde. Und dieser Fall war jetzt eingetreten.
Linda schaltete den Fernseher an der Wand ein. Die Melodie der Morgennachrichten plärrte durch den Raum, dann verlas eine weibliche Stimme die aktuellen Meldungen:
»Handgranaten-Anschlag auf einen Nachtklub und beliebten Treffpunkt für sexuelle Minderheiten in Pori. Fünf Tote und Dutzende Verletzte. Die Polizei geht von einem Terroranschlag aus.«
»Schwerer Wohnungsbrand im Zentrum von Helsinki. Personen kamen nicht zu Schaden. Die Löscharbeiten dauern noch an.«
Als die Musik verstummte, kam das Gesicht der Sprecherin ins Bild. »Im Zentrum von Pori wurde heute Nacht gegen drei Uhr ein Bombenanschlag auf den Nachtklub Venus verübt. Nach Angaben der Polizei wurden dabei fünf Menschen getötet. Mehrere Dutzend Verletzte wurden zur Behandlung ins Krankenhaus eingeliefert. Die Angehörigen der Opfer werden zur Stunde informiert. Ein Tatverdächtiger konnte jedoch noch nicht festgenommen werden. Zu weiteren Details machte die Polizeidirektion Südwestfinnland bisher keine Angaben. Eine Pressekonferenz