: Gabi Schenkel
: Solo auf See Eine Frau rudert über den Atlantik und entdeckt die Kraft der Einsamkeit
: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783959103701
: 1
: CHF 14.30
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
75 Tage allein auf dem Ozean, auf einem 7,5 Meter langen Ruderboot, nonstop über den Atlantik - das trauen sich die wenigsten Menschen zu. Und doch entschließt Gabi Schenkel sich - gegen den Rat ihres Umfelds -, als Solo-Ruderin an der »Atlantic Challenge« teilzunehmen. Nach zwölf Monaten Vorbereitung geht es los: 5.200 Kilometer allein quer über den Atlantik.  Auf ihrer Reise begegnet sie Zwergwalen und Delfinen, feiert Weihnachten mit einer um den Hals gehängten Lichterkette in einer unendlichen Weite aus Wellen und Wind und erlebt ungeahnte Glücksmomente. Sie durchkämpft Stürme, ersetzt gebrochene Ruder, erleidet Krankheiten, kentert und verbringt Wochen in schier unerträglicher Einsamkeit. Nach mehr als acht Millionen Ruderschlägen steigt Gabi Schenkel in Antigua als einzige weibliche Solo-Ruderin vom Boot. »Solo auf See« ist nicht nur die Geschichte eines großen Abenteuers und einer unglaublichen sportlichen Leistung, sondern auch die eines Lebenswegs voller Hindernisse, voller Höhen und Tiefen und der Suche nach etwas, das uns alle erfüllt und das wir doch nur schwer beschreiben können.

Als ihr die Ankündigung eines Ruderwettbewerbs über den Atlantik in die Hände fällt, kauft sich die Zürcher Osteopathin Gabi Schenkel kurzentschlossen ein kleines Boot und trainiert auf dem Zürichsee. Nur zwölf Monate später startet sie die »Atlantic Challenge« und ist die einzige Solo-Ruderin, die das anspruchsvolle Rennen zu Ende bringt - nach 75 Tagen auf See.

26° 59.32 N, 018° 8.45 W – Neustart


Die erste Nacht ist hereingebrochen, und die wenigen Bissen, die ich zu mir genommen habe, kommen dem optimalen Tagesbedarf vom 3.600 Kilokalorien nicht im Geringsten nahe. Ich habe Essen für neunzig Tage an Bord, für jedes Kilo Körpergewicht sechzig Kalorien pro Tag. Ich trage immer noch die volle Montur, denn trotz meiner flauschigen Fleecedecke ist mir kalt. Mir wurde gesagt, dass es während der ersten drei Wochen manchmal recht kühl sein kann. Das ist tatsächlich so, und die Nähe zum Wasser hilft da in Kombination mit kälteleitendem Aluminium nicht wirklich.

Irgendwann falle ich in einen unruhigen Schlaf und wache kurz vor der Dämmerung auf. Immer noch von starker Übelkeit geplagt, setze ich mich an die Ruder und atme tief die frische Meeresluft ein. Indem ich meinen Blick auf den Horizont richte und mir selbst gut zurede, werde ich langsam ruhiger. Meine Gedanken kreisen um das gebrochene Ruder. Was habe ich falsch gemacht? Was hätte ich anders machen können? Debby, Johns Frau, Teil meiner Wettercrew und Vertrauensperson, schreibt mir eine SMS auf mein Satellitentelefon: »Super gemacht! Du hast viel Boden gut gemacht und hältst den Kurs optimal.«

Ich bin froh, dies zu lesen, auch wenn Lesen den Übelkeitspegel sofort hinaufschnellen lässt. Immerhin scheint mich meine nächtliche Schlafpause nicht total vom Kurs abgebracht zu haben. In meiner Kabine gibt es einen Plotter, einen kleinen, etwa 15 mal 20 Zentimeter großen Bildschirm, der mir die Bootsachse im Vergleich zum Kurs anzeigt. Seit der Abfahrt habe ich kaum ein Auge darauf werfen können. Bei jedem Versuch will sich mein Magen sofort entleeren.

Auf der Außenseite der Kabine sind Kompasse montiert, ein mechanischer und ein digitaler, der mit dem Autopiloten verbunden ist. Diese kontrolliere ich alle paar Sekunden, um den Kurs mehr oder weniger zu halten. Dass ich dabei beim mechanischen Kompass immer 180 Grad dazuzählen muss, beschäftigt meinen Kopf. Ein weiteres Übelkeitsablenkungsmanöver. Ich lächle schwach. Es ist wie beim Laufen, da beschäftige ich mich jeweils in schwierigen Momenten auch mit Rechnen. Zeit pro Kilometer auf die Endzeit hinaufgerechnet. Mir wird beim Gedanken an die Berechnung der Überquerungsendzeit wieder mehr übel, und mein Blick heftet sich wieder auf die nächsten Wellen.

Sie sind groß, der Wind ist stark, und ich bin bereit, dem Ganzen eine Art Neustart zu geben. Gestern war ich so nervös, dass ich kaum etwas genießen konnte. Okay, ich gebe zu, seekrank zu sein und ein gebrochenes Ruder sind nicht unbedingt Dinge, die in die Kategorie »Genuss« fallen. Trotzdem habe ich den ersten Tag hinter mich gebracht.

Und heute ist ein neuer Tag. Die Stunden vergehen wie im Flug, mein Appetit bleibt komplett aus, doch ich bringe mich dazu, den gesamten Inhalt meiner Snacktüte zu essen. Nussriegel in allen Variationen in kleinen Bissen scheinen eher in meinem Magen zu bleiben als größere Mengen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich weiß, dass ich nicht tagelang nur 1.300 Kalorien zu mir nehmen kann. Ich sehe den mahnenden Zeigefinger meines Arztes in der Schweiz, ich höre Nik und Luuk, die beiden Söhne von Debby und John, wie sie mir im Sommer beinahe täglich gesagt haben: »Du brauchst die Kalorien.«

Es ist später Nachmittag, und ich fühle mich schwach. Ob dies von den fehlenden Kalorien kommt, dem kurzen Schlaf oder dem allgemeinen Stress? Ich weiß es nicht, und es ist mir egal. Ich will mich einfach besser fühlen. Leidend und stöhnend lege ich mich neben meiner Ruderposition auf Deck. Wenn ich mich etwas origamimäßig falte und drapiere, ist es beinahe bequem. Eine Hand versucht mit festem Griff an der Reling, den Körper etwas zu stabilisieren. Ich bin froh, diese festen Verstrebungen zu haben. Die meisten Ozeanruderboote haben anstelle von meinen Halt gebenden Aluminiumstangen lediglich leicht lose Seile.

Die andere Hand fin