: Waltraud Hönes
: Das neue Pilgern Begegnung mit der lebendigen Erde
: Neue Erde
: 9783890603711
: 1
: CHF 12.60
:
: Spiritualität
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Denn ist es nicht Zeit, andere Wege einzuschlagen? Diese neue Art des Pilgerns, bei der es darum geht, die Erde als lebendiges Wesen zu erfahren und mit ihr in einen wechselseitigen Austausch zu treten, kann richtungsweisend für eine lebenswerte Zukunft von uns Menschen auf und mit der Erde sein. Es gilt aufzubrechen, um ein größeres Selbst zu entdecken, das um die Verbundenheit von allem in der einen Weltseele weiß. Das bedeutet, sich selbst zu erweitern und dazu beizutragen, dass wir Menschen wieder in »rechte Beziehung« mit der Erde kommen und ihre Heiligkeit empfinden können. Wenn wir in diesem Geist pilgern, bringen wir etwas zu den bezaubernden Plätzen, die wir besuchen, anstatt nur etwas für uns mitnehmen zu wollen. Wir geben ihnen aus Freude am Geben, und das lässt unser Herz immer kristallklarer werden. Das Herz ist das Tor zur Seele, die aufblüht, wenn wir als neue Pilger die sieben Gold-Silber-Regenbogenwege zum unvergleichlich strahlenden Stein aus dem neu belebten Weltmythos von Fanes in den Dolomiten einschlagen, die in diesem Buch vorgestellt werden. Wir sind exemplarisch mit einer Gruppe von Pilgern aus verschiedenen Ländern in einer großartigen Landschaft unterwegs, sammeln erste Erfahrungen auf diesen geistvollen Seelenwegen und erhalten die Lehren der mythischen Gestalten, die uns dabei begleiten. Ein Praxisteil gibt Anleitungen, wie wir selbst, ganz gleich wo wir zu Hause sind, mit dieser neuen Form des Pilgerns und der dazugehörigen Lebensweise beginnen können, um aktiv zu einer kulturellen und spirituellen Erneuerung beizutragen.

Waltraud Hönes, Jahrgang 1964, Curandera (schamanische Heilerin), zeremonielle Künstlerin und Buchautorin, ist die Gründerin der Wayna Fanes-Tradition und der Gruppe Dolomiten Ayllu. Nach Abschluss ihres Psychologiestudiums an den Universitäten Würzburg und Konstanz bildete sie sich in Kalifornien (USA) bei führenden Vertreter/-innen der transpersonalen Psychologie fort. Bei dem peruanischen Meisterzeremonialisten und Curandero Don Oscar Miro-Quesada absolvierte sie eine zehnjährige Lehrzeit. Waltraud Hönes lehrt und heilt europaweit in Form von zeremoniellen Workshops und Pilgerseminaren, vor allem in den Dolomiten, wo sie lebt. Als Pilgerin für die Erneuerung unserer Beziehung mit der Erde betreut sie zusammen mit dem Dolomiten Ayllu ein Netzwerk von über hundert heiligen Orten.

Die mythische Vision


Himmlisches Geschenk
Verborgen wächst es heran
Erde die Mutter

Unsere Welt ist von einem erstaunlichen Mangel an Vision geprägt, und damit meine ich eine umfassende Vision für die Menschheit. Deshalb fühlen wir uns im Grunde verloren, denn wir spüren einen Mangel an klarer Orientierung und Lebenssinn. Es fehlt uns eine gemeinsame ethische Basis für unser Handeln ebenso wie eine klare Perspektive über unser jetziges Leben hinaus. Betrachten wir zunächst, wie es dazu gekommen ist.

Große Weltmythen haben in früheren Zeiten dafür gesorgt, dass Menschen ihren Platz im Gesamtgefüge des Kosmos ihrer Kultur finden und mit diesem Rückhalt leben konnten. Sie fanden ihn zwischen Ursprung und Bestimmung ihres Volkes, dem sie sich zugehörig fühlten, und in der Ordnung, die der Mythos als die »rechte« definierte. Der Begriff von der rechten Ordnung wird von vielen indigenen Völkern gebraucht. Doch was verstehen sie darunter?

Gemeint ist eine göttliche Ordnung, die in der Sphäre der Sterne zum Ausdruck kommt und auch auf der Erde etabliert werden soll, um den Einfluss des Himmels auf ihr sicherzustellen. Sie legt die Beziehung zwischen den Menschen und allen anderen Wesen – ob sichtbar oder unsichtbar – fest, das heißt, auch die Beziehung mit der Erde selbst, die als lebendiges Wesen und Gottheit begriffen wird. In der Tradition der Anden ist sie die physische Repräsentation des kosmischen PrinzipsPachamama, was man am genauesten mit »Mutter der Raumzeit« übersetzen kann. Nachdem diese Ordnung also diejenige ist, die der großen kosmischen Ordnung entspricht, die unser Leben überhaupt möglich macht, ist sie zweifellos die »rechte«. Oft sieht sich ein Volk in besonderer Weise mit einer bestimmten Gruppe von Sternen (was nicht unbedingt den uns bekannten Sternbildern entsprechen muss) verbunden, und so kommen diejenigen Aspekte der kosmischen Ordnung, die von dem betreffenden Volk hier auf der Erde gelebt werden sollen, von genau diesen Sternen. Jeder Stamm oder jedes Volk und jeder Mensch, der ihnen angehört, haben also einen Platz und damit verbunden auch ihre Eigenart und ihre spezifische Funktion in diesem Weltgefüge, und einen Namen, der diese benennt. Die ethische Grundlage einer solchen Kultur ergibt sich dementsprechend ganz von selbst aus dieser rechten Ordnung, der eigenen Herkunft (von den betreffenden Sternen) und der Vision von einer gemeinsamen Bestimmung, die wiederum mit der Vollendung der göttlichen Ordnung auf der Erde zu tun hat.

Jeder Ort in der Landschaft, in der diese Menschen leben, ist von lehrreichen mythischen Ereignissen geprägt und deshalb eine Quelle von Medizin für sie: einheil-iger Ort. Einen solchen Ort wird man hüten und pflegen, um in wechselseitigem Austausch mit ihm seine Medizin empfangen zu können. Besitzen-Wollen ist bei einer solchen Beziehung mit der Landschaft ein unsinniges Konzept; vielmehr geht es darum, dass uns ein Stück vom Körper der heiligen Erde anvertraut ist, für das wirsorgen sollen, um in rechter Beziehung zu stehen.

Nun wird ersichtlich, wie fatal der Verlust der mythischen Weltsicht für uns ist, die wir einfach nicht mit unserer rati