1. KAPITEL
„Ich weiß wirklich nicht, warum wir hier dumm herumsitzen und auf sie warten.“ Jack presste ärgerlich die Lippen zusammen. „Ich habe Visite. Und ich möchte mir Imogen Parker ansehen.“
„Es ist Miss Turners erster Tag, und sie hat dieses Treffen aller Kardiologiemitarbeiter einberufen“, erinnerte ihn Stationsschwester Leila Ward. „Offenbar möchte sie sich uns vorstellen und das Team kennen lernen.“
„Ja. Falls sie jemals auftauchen sollte.“
Leila tätschelte ihm die Hand. „Hör auf zu maulen. Ich weiß, du bist enttäuscht, weil sie den Job bekommen hat, aber gib ihr wenigstens eine Chance.“
„Gut.“ Jack verdrehte die Augen. „Aber vergesst nicht, über wen wir reden. Ihr Dad ist Leiter desCalderford General.“
„Möglicherweise ist sie nett. Möglicherweise auch extrem kompetent. Möglicherweise sogar besser als du“, betonte Leila. „Vielleicht hat sie deswegen den Job bekommen.“
„Vielleicht könnte das entscheidende Wort sein.“ Jack seufzte, als er die Gesichter seiner Kolleginnen und Kollegen sah. „Okay, okay, sie bekommt ihre Chance. Aber wenn sie zu spät kommt oder unfähig ist oder es sich herausstellt, sie hat den Job nur bekommen, weil sie die Tochter des Chefs ist, erwartet nicht von mir, dass ich den Mund halte, ja?“
„Wäre nicht schlecht, wenn du ihn jetzt zumachst“, mahnte Leila, als die neue Chefärztin den Raum betrat.
Doch Jack blieb der Mund offen stehen.
Sie war es. Die Frau mit dem Sportwagen. Die, die nicht einparken konnte.
Das hilflose Weibchen.
Nur … diesmal wirkte sie absolut nicht hilflos. Sie trug ein Businesskostüm, wenn auch mit einem kurzen Rock. Ihr schimmerndes dunkles Haar war elegant im Nacken zusammengebunden, und auf der Nase saß eine Brille mit schmalem Metallgestell. Falls sie überhaupt Make-up benutzte, dann so dezent, dass es nicht sichtbar war. Sie wirkte ernst, fleißig – und kompetent.
Oder hatte das Weibchen eine Zwillingsschwester? Als sie sich im Raum umblickte, verriet nichts, dass sie ihn erkannte – und sicherlich würde sie sich doch an jemand erinnern, der ihr erst letzte Woche auf dem Parkplatz aus der Klemme geholfen hatte, oder?
Er presste die Lippen fest aufeinander. Oder sie war es einfach gewohnt, andere Menschen zu benutzen. Dafür brauchte sie sich keine Gesichter zu merken. Egal, er war sowieso nicht an Miranda Turner interessiert.
Muss ausgerechnet mein edler Ritter auf meiner Station arbeiten? dachte Miranda. Denn das bedeutete, sie musste sehr, sehr vorsichtig vorgehen.
Nein. Sie würde einfach ehrlich sein. Irgendwelche Spielchen überließ sie lieber ihrem Vater.
Sie holte tief Luft.
„Guten Morgen, allerseits. Danke, dass Sie es alle geschafft haben herzukommen – und ich verspreche auch, ich werde Sie nicht lange aufhalten. Ich wollte mich nur richtig vorstellen. Ich bin Miranda Turner, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen hier amCalderford General.“ Sie lächelte. Nun kam der Knackpunkt. „Sehr wahrscheinlich haben Sie bereits erraten, dass Ralph Turner mein Vater ist. Glauben Sie mir, ein Vorstellungsgespräch mit jemand zu führen, der allerlei peinliche Dinge über einen weiß, ist der reinste Albtraum! Glücklicherweise war er wegen unserer Verwandtschaft bei dieser Personalentscheidung nicht stimmberechtigt.“ Sie hoffte, damit Gerüchte zum Schweigen bringen, sie wäre nur durch ihre Beziehung zu dem begehrten Posten gekommen.
Wieder lächelte sie.
„Einen von Ihnen habe ich bereits kennen gelernt, auch wenn ich es zu der Zeit noch nicht wusste.“ Sie deutete auf ihren Helden. „Er hat mich errettet, als ich leider den Schuhlöffel vergessen hatte und meinen Wagen nicht in die zentimeterbreite Parklücke bugsieren konnte.“
Zu ihrer Erleichterung lachten sogar einige der Anwesenden.
„Ich kann Ihnen versichern, in meinem Beruf bin