Ich sehe was, was du nicht siehst
Oder: Warum wir uns in Videokonferenzen anders verhalten
Nun hat nicht jeder einen Mimikresonanz-Experten als Dolmetscher an seiner Seite. Was also tun, um den Mimik-ICE nicht zu verpassen?
Videokonferenzen bieten hier wundervolle neue Trainingsmöglichkeiten für Ihre Wahrnehmung. Übrigens ein weiterer Punkt, der die Mimik zum zentralen Aspekt der Körpersprache macht, denn sie ist auch in Onlinekonferenzen perfekt zu sehen – im Gegensatz zu vielen anderen Signalen wie zum Beispiel den Beinen und Füßen. Zoom, Microsoft Teams& Co. beweisen damit einmal mehr: Die Mimik ist die Bühne unserer Emotionen. Warum wäre die Kamera sonst auf das Gesicht gerichtet? Wir könnten ja auch die Füße filmen oder die Kamera einfach ganz aus lassen. Die rasant angestiegene Nachfrage nach Videokonferenz-Lösungen hat jedoch gezeigt, wie tief das Bedürfnis in uns verankert ist, das Gesicht unserer Gesprächspartner zu sehen. So hatte der Videokonferenz-Anbieter Zoom noch Ende2019 »nur« knapp10 Millionen Nutzer pro Monat. Im Frühjahr2020 waren es bereits200 Millionen Nutzer pro Monat.
Nun zu den Trainingsmöglichkeiten Ihrer Wahrnehmung, die Ihnen Zoom& Co. bieten: Videokonferenzen sorgen für einendivergenten Blickkontakt. In einem Onlinemeeting können wir uns niemals direkt in die Augen sehen – ein Umstand, der vielen erst nach kurzem Nachdenken bewusst wird. Der divergente Blickkontakt bringt zwar auch Herausforderungen mit sich (die wir uns im achten Kapitel anschauen werden), verschafft Ihnen aber einen unschlagbaren Vorteil, vor allem in Onlinemeetings mit mehreren Personen. Da niemand weiß, wen genau Sie gerade anschauen, können Sie auf diese Weise nämlich unbemerkt die Mimik der Anwesenden vollkommen entspannt beobachten.
Körpersprache-Hack:
Achten Sie auf eine gute Beleuchtung
Als Bühne unserer Emotionen ist die Mimik der entscheidende Körpersprache-Kanal, um Kontakt zu anderen Menschen aufzubauen und eine Vertrauensbasis herzustellen. Erst das Mienenspiel unseres Gegenübers sorgt dafür, dass wir ihn als fühlendes Wesen wahrnehmen. Wie jedes Schauspiel braucht deshalb auch die Mimik eine gute Lichtregie. In Videokonferenzen verschwinden Teilnehmer häufig im Schatten des Gegenlichts (zum Beispiel durch ein Fenster im Hintergrund), oder der Raum ist derart dunkel, dass die Mimik nur zu erahnen ist. Machen Sie es anderen leicht, Kontakt zu Ihnen herzustellen, indem Sie Ihr Videobild vor der Besprechung testen und für gutes Licht sorgen. Vor allem bei Laptops lohnt es sich, die Kameralinse öfter mal mit einem geeigneten Tuch zu reinigen. Und haben Sie auch den Mut, die Ausleuchtung anderer Teilnehmer anzusprechen. Ich habe mir angewöhnt, dies direkt zu Beginn eines Meetings wertschätzend zu machen: »Entschuldigen Sie, ich kann Sie durch das Gegenlicht ganz schwer sehen. Könnten Sie die Kamera irgendwie anders ausrichten oder das Licht anders einstellen?«
Im Onlinemeeting können Sie den Vorteil des »getarnten« Beobachtungsblicks ganz einfach für ein Wahrnehmungstraining nutzen. Achten Sie einmal bewusst auf das Mienenspiel der anderen. Vor allem die Mimik der Zuhörer ist dabei spannend. Die meisten Mikroexpressionen zeigen sich nämlich, wenn jemand den Worten anderer lauscht. Die stille Sprache des Gesichts enthüllt ungewollt die unausgesprochenen Gedanken und Gefühle der Person – manchmal Zustimmung, manchmal Ungläubigkeit oder auch Ablehnung.
»Ich wusste gar nicht, worauf ich achten soll!« – Das ist die wohl häufigste Aussage, die ich nach solch einer Aufgabe von Seminarteilnehmern höre, die gerade damit begonnen haben, Mimikresonanz zu trainieren. Der wichtigste Körpersprache-Lifehack, ein Kniff aus meiner persönlichen Mimikresonanz-Werkzeugkiste, ist die von mir entwickelteFAKT-Methode. Sie basiert auf dem einfachen Prinzip, dass die Qualität der Fragen die Qualität der Antworten bestimmt.
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