6.
Constance klopfte das Herz bis zum Hals, als sie die große Burghalle betrat. Die Wände waren mit farbigen Tüchern, Bannern und Wappenschilden geschmückt worden, und Wachen in den Wappenfarben des jeweiligen Königs waren bereit, einzugreifen, wenn einer der Gäste nur den Anschein erweckte, einen Anschlag wagen zu wollen. An der Stirnwand standen unter den Bannern von Frankreich und England zwei gleich aussehende Stühle, je zwei weitere, etwas schlichtere Sitzgelegenheiten schlossen sich diesen an. Die beiden, die neben König PhilippesII. Sitz standen, waren leer, während neben Richard Löwenherz seine Mutter Eléonore und sein Bruder Jean Platz genommen hatten.
Ein Stück von ihnen entfernt saßen die Edlen beider Reiche auf einfachen Stühlen, während die restlichen Herren, denen der Zutritt gestattet worden war, sich im Hintergrund hielten und neugierig auf die Könige schauten.
Unter den Letzteren entdeckte Constance nun auch Bernard, der sie mit offenkundigem Erstaunen musterte. In einem solchen Kleid hatte er sie noch nie gesehen. Constance fand es so unbequem, dass sie es nur dieses eine Mal tragen wollte. Es war ihr zu lang, so dass sie nur kleine, vorsichtige Schritte tun konnte, um nicht auf den Saum zu steigen und recht undamenhaft zu stolpern.
Ihr Blick blieb nun an Raoul de Chanteur hängen. Er deutete eine Verbeugung an und lächelte fröhlich. Constance erwiderte sein Lächeln, doch wenige Augenblicke später erstarrte ihr Gesicht, denn sie entdeckte Damien de Ronceau. Der Stierkopf zählte zu jenen, denen König Richard die Ehre erwiesen hatte, auf einem der Stühle Platz zu nehmen. Es tröstete sie auch nicht, dass Beauvais de Ronceau im Gegensatz zu seinem Bruder stehen musste.
Nun richtete sie ihr Augenmerk auf die vier Personen, die vor der Stirnwand saßen. Eléonore trug ein aufwendig besticktes Kleid in einem sanften Grün und hatte ihren von einem hellen Seidentuch bedeckten Kopf mit einer Krone geschmückt. Neben ihr saß Jean, ihr jüngster Sohn, etwas schief auf seinem Stuhl. Er war ein mittelgroßer, zur Hagerkeit neigender junger Mann mit dichtem Haar und einem Kinnbart, dem durch den Einsatz eines Kammes eine gewisse Fülle verliehen worden war. Er war weder besonders hübsch noch hässlich, auf der Straße würde sich wohl niemand nach ihm umdrehen.
Bei König Richard war dies ganz anders. Größer und breiter gebaut als sein Bruder, wirkte er wie das Idealbild eines Helden. Sein Haar war voll, der Bart zwar kürzer gestutzt als der seines Bruders, aber um einiges dichter. Constance sah ihn lächeln, doch sie fühlte gleichzeitig seine Wachsamkeit. Er war ein Mann, den man zu fürchten hatte, wenn er sich als Feind erwies.
Ihr Blick glitt weiter zu PhilippeII. Er war um acht Jahre jünger als Richard und wirkte gegen diesen wie ein Jüngling. Seines Ranges war er sich jedoch bewusst, Constance vermochte nicht die geringste Regung in seinem Gesicht zu erkennen. Während Richard Hosen und einen knielangen roten Wappenrock mit drei schreitenden Löwen auf der Brust trug und seinen Mantel lässig über die Schulter geworfen hatte, war PhilippeII. in ein langes, dunkelblaues Gewand gekleidet, das über und über mit goldenen Lilien verziert war. Sogar der Saum seines Mantels war damit bestickt.
Beide Kön