Der Auftrag
Seit der Hochzeit waren vier Tage vergangen, und Sjalg Pettersons tragischer Tod war bereits aufgeklärt worden. Aufgrund der vielen Zeugenaussagen und des vorläufigen Obduktionsberichtes lag der Schluss nahe, dass der sechsunddreißig Jahre alte Mann einem anaphylaktischen Schock erlegen war.
Er war extrem allergisch gegen Macadamianüsse gewesen.
»Wir haben das ja auch gewusst«, sagte Jesper Jørgensen. »Küche, Kühlraum, Service, Besteck, Terrasse … Alles wurde gesäubert, ehe wir eingerückt sind. Wirklich alles. Fast automatisch. Es ist auch nicht schwer, den Kontakt mit Macadamianüssen zu vermeiden. Ich habe in meiner ganzen Laufbahn kaum je eine verwendet.«
Der Mann machte eine verzweifelte Handbewegung.
Seine Karriere war noch nicht lang, das wusste Selma, doch sie war umso erfolgreicher verlaufen. Jesper Jørgensen war erst sechsundzwanzig, galt aber schon als einer der absolut besten Köche des Landes. Vor vier Jahren hatte er den Bocuse d’Or gewonnen, die inoffizielle Weltmeisterschaft der Kochkunst, als jüngster Preisträger aller Zeiten. Seither hatte er in der Dronning Eufemias gate das noble RestaurantEllevilt, also Lebensfreude, aufgemacht, genau gegenüber dem berühmten Barcode-Gebäude, der Oper, dem schiefen neuen Munch-Museum und allem anderen, was langsam zu einem modernen Stadtteil wurde, mit dem Selma sich nur mit Mühe abfinden konnte. Schon nach elf Monaten wurde dasEllevilt mit einem Michelin-Stern belohnt. Im folgenden Jahr kam der zweite. Nur das weltberühmteMaaemo konnte es mit seinen drei Sternen noch übertreffen.
»Ich bereue das so wahnsinnig«, sagte der junge Mann verzweifelt. »Natürlich hätte ich mich nicht zum Kochen bereit erklären dürfen. Ich will doch in meiner eigenen Küche arbeiten, aber so viele Gäste können wir bei uns nicht unterbringen. Und Sjalg Petterson kann man nicht so leicht widerstehen, er hat verdammt gut bezahlt, und ich …«
Wieder hob er die Hände.
Jesper Jørgensen saß in einem Sessel in Selma Falcks Kombination aus Wohnung und Büro. Die Wohnung war nicht groß, zwei Zimmer, Küche und Bad, aber sie war praktisch und perfekt gelegen in einem Neubau in Sagene. Von dort aus hatte sie einen kurzen Weg in die Innenstadt und blieb trotzdem ziemlich anonym. An der Klingel stand einfach nurSF, und die Wohnungstür war überhaupt nicht beschriftet. In dem knappen halben Jahr, das sie nun schon hier wohnte, hatten die Leute aus der Umgebung sich aber dennoch mit ihr bekannt gemacht. Die ersten Wochen waren anstrengend gewesen, mit den Bitten um Autogramme und Selfies und mit neugierigen Fragen nach der eher bescheidenen Wohnung.
Aber das hatte sich gegeben.
Selma Falck war zufrieden mit ihrem Dasein.
Seit sie ihre Freiheit und ihre Finanzen hatte retten können, indem sie vor Weihnachten die Unschuld einer jungen Skiläuferin in einem Dopingskandal bewiesen hatte, hatte sie die meisten Brücken hinter sich eingerissen. Ihre Zulassung als Anwältin hatte sie längst zurückgegeben. Von den dreizehn Millionen Kronen, die sie für den Auftrag erhalten hatte, hatte sie ihrem Exmann drei überlassen. Als Buße vermutlich, denn zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihm nichts geschuldet. Vor allem war es ein Versuch, die Vergebung ihrer Kinder zu erlangen, das musste sie zugeben, wenn sie wirklich darüber nachdachte. Was sie immer seltener tat. Die Wirkung war auch eher bescheiden gewesen. Anine verhielt sich weiterhin fast feindselig, wenn si