: Holger Hembach
: Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
: Fachmedien Recht und Wirtschaft
: 9783800594733
: 1
: CHF 58.50
:
: Handels-, Wirtschaftsrecht
: German
: 232
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Lieferkettensorgfaltspflichte gesetz erlegt Unternehmen umfangreiche Pflichten zum Schutz der Menschenrechte und bestimmter Umweltstandards in ihrem eigenen Geschäftsbereich und in ihrer Lieferkette auf. Dazu gehören beispielsweise die regelmäßige Durchführung menschenrechtlicher Risikoanalysen, die Verabschiedung einer Menschenrechtsstrategie und die Schaffung von Beschwerdemechanismen für Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Für Verstöße gegen diese Pflichten sieht das Gesetz erhebliche Bußgelder vor; darüber hinaus droht der Ausschluss von Vergabeverfahren. Menschenrechte werden damit zum Compliance-Thema. Das Gesetz gilt zunächst ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern; ab dem 1.1.2024 ist es auch auf Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern anwendbar. Darüber hinaus wird es über die Erstreckung der Pflichten auf die Lieferkette auch Folgen für zahlreiche kleinere Unternehmen haben. Das Buch bietet eine erste Orientierung zum Lieferkettensorgfaltspflichte gesetz. Es erläutert grundlegende Konzepte und gibt Handreichungen zur Umsetzung. Zudem enthält die Untersuchung die Aufgaben sowie Rechte und Befugnisse des Monitors, Prüfungsmaßstäbe, sowie die Grenzen des Monitors, die sich u.a. aus den Gebieten des Datenschutzes, des Arbeitsrechts oder der Unternehmensrechte auf Geheimnisschutz ergeben. Im Anschluss an die Prüfung der Rechtsnatur des Monitors stellt der Autor die praktische Ausgestaltung des Monitorships einschließlich einzelner Prüfungsphasen dar. Zuletzt werden noch Vor- und Nachteile des Monitorships, Kritikpunkte und Bewertungen abgeschlossener Monitorships beleuchtet, bevor die Arbeit mit einer abschließenden Bewertung der bestehenden Rechtslage bzw. einem Ausblick endet.

RA Holger Hembach berät Unternehmen und Einzelpersonen zu internationalen Menschenrechten. Er ist Autor mehrerer Veröffentlichungen im Bereich der Menschenrechte, steuert regelmäßig Beiträge zu den CSR-News bei und führt Seminare zu menschenrechtlichen Themen durch.

IV) Die Debatte über Wirtschaft und Menschenrechte


Nach herrschender Auffassung sindUnternehmen keine direkten Trägermenschenrechtlicher Pflichten. Menschenrechte wurden historisch gegen die Ausübung staatlicher Gewalt erkämpft; daraus resultiert ein Fokus auf eine Verpflichtung des Staates aus den Menschenrechten.44 Im internationalen öffentlichen Recht (Völkerrecht) gelten Unternehmen nicht als Rechtssubjekte. Sie sind daher weder aus internationalen Verträgen direkt verpflichtet, noch gilt für sie das völkerrechtliche zwingende Recht45, zu dem Teilbereiche der internationalen Menschenrechte wie das Folterverbot, das Verbot von Diskriminierung aufgrund der Rasse oder das Verbot der Sklaverei zählen.46 Menschenrechtliche Verträge sind traditionell von Staaten als Katalog staatlicher Pflichten verfasst und das entsprechende Kontrollsystem auf die hergebrachten Regeln staatlicher Verantwortung abgestimmt.47

Allerdings sind viele transnationale Unternehmen einflussreiche „global players“. Der Jahresumsatz einiger dieser Unternehmen geht oft über das Bruttoinlandsprodukt der meisten Staaten hinaus und ihre Wirtschaftskraft versetzt sie in die Lage, innerstaatliche politische Entscheidungen zu beeinflussen.48 Große Unternehmen beeinflussen in erheblichem Umfang internationale Regeln über den Handel, Investitionen oder Telekommunikation.49 Hieraus wird teilweise hergeleitet, dass mit dem großen Einfluss auch die entsprechende Verantwortung korrespondieren müsse.50 Es komme nicht in erster Linie darauf an, wer aus den Menschenrechten verpflichtet sei, sondern darauf, dass die Menschenrechte für alle Menschen jederzeit gewährleistet werden müssten.51 Darüber hinaus sei es widersprüchlich, dass Unternehmen beispielsweise nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zwar Träger von Menschenrechten – und damit Opfer von Menschenrechtsverletzungen – sein könnten,52 aber umgekehrt nicht aus den Menschenrechten verpflichtet sein sollten.53 Auch gebe es Fälle, in denen nicht-staatliche Akteure aus Normen des internationalen Rechts verpflichtet seien. Dies gelte beispielsweise bei Piraterie oder, wie der Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien im FallKaradzic entschieden habe, bei bestimmten Verstößen gegen die Genfer Konventionen.54

Trotz dieser Argumente geht die herrschende Meinung weiterhin davon aus, dassUnternehmen nicht direkt aus den international anerkannten Menschenrechtenverpflichtet werden. Die Frage der direkten Verpflichtung ist aber zu unterscheiden von indirekten Pflichten. Dabei geht es um Pflichten, die Staaten Unternehmen oder anderen nichtstaatlichen Akteuren auferlegen, um ihren eigenen Verpflichtungen nach internationalem Recht gerecht zu werden. Es ist anerkannt, dass dies möglich ist.55 Einige Autoren vertreten sogar die Auffassung, dass Staaten aufgrund ihrer Bindung an menschenrechtliche Verträge verpflichtet sein können, entsprechende Gesetze zu erlassen.56

Die Diskussion über derartige gesetzliche Vorschriften zur Regulierung menschenrechtlicher Pflichten von Unternehmen im weiteren Sinne reicht bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts zurück.57

In einigen westlichen Demokratien gab es Befürchtungen, der Einfluss transnationaler Unternehmen auf die Wirtschaft könne überhandnehmen.58 DieInternational Confederation of Free Trade Unions bemühte sich, die ILO zu bewegen, den sozialen Folgen der Aktivitäten transnationaler Unternehmen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.59 Der Versuch der US-amerikanischenInternational Telephone and Telegraph Company (ITT), mithilfe der CIA die Wahl Salvador Allendes zu verhindern bzw. einen Staatstreich in Chile zu initiieren60 rief öffentliche Empörung hervor und war ein Schlaglicht auf die politische Dimension transnationaler Unternehmen.

Der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (UN Economic and Social Council) verabschiedete 1972 eine Resolution, in der er den Generalsekretär der Vereinten Nationen aufforderte, eine Gruppe anerkannter Personen („eminent persons“) zu ernennen, um die Rolle multinationaler Konzerne im internationalen Recht und ihren Einfluss auf den Entwicklungsprozess von den Ländern zu analysieren.