: Heinrich Mann
: Im Schlaraffenland
: Books on Demand
: 9783754322949
: 1
: CHF 3.90
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 470
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
«Im Schlaraffenland. Ein Roman unter feinen Leuten» ist ein Roman von Heinrich Mann, der zum Teil während eines Rom-Aufenthalts entstand. Das Buch ist der Auftakt einer Reihe von Romanen, die sich kritisch mit dem Wilhelminismus auseinandersetzen (wie auch «Professor Unrat» und «Der Untertan»). Der Roman beschreibt mit ätzender Schärfe den Berliner Kulturbetrieb und die dekadente Schickeria der 1890er Jahre.

Luiz Heinrich Mann (1871-1950) war ein deutscher Schriftsteller und der ältere Bruder von Thomas Mann. Ab 1930 war Heinrich Mann Präsident der Sektion für Dichtkunst der Preussischen Akademie der Künste, aus der er 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ausgeschlossen wurde. Mann, der bis dahin meist in München gelebt hatte, emigrierte zunächst nach Frankreich, dann in die USA. Die Frühwerke sind oft beissende Satiren auf bürgerliche Scheinmoral. Mann analysierte in den folgenden Werken die autoritären Strukturen des Deutschen Kaiserreichs im Zeitalter des Wilhelminismus. Er tendierte schon sehr früh zur Demokratie, stellte sich von Beginn dem Ersten Weltkrieg und frühzeitig dem Nationalsozialismus entgegen, dessen Anhänger Manns Werke öffentlich verbrannten.

II – Das Café Hurra


„Herr....?“ fragte Köpf zögernd.

„Andreas Zumsee.“

Köpf stellte der Tafelrunde im Café Hurra den neuen Kollegen vor. Dieser ward mit Wärme aufgenommen. Der angesehenste der Herren ließ ihn an seiner Seite sitzen und zog ihn in die Unterhaltung. Als er den jungen Mann nach Studien und Absichten befragt hatte, sagte Doktor Libbenow mit einem vielleicht bescheidenen, vielleicht auch stolzen Seufzer:

„Ach ja, ich habe eigentlich seit zehn Jahren kein Buch gelesen.“

Man schien dies als eine beachtenswerte Leistung anzusehen, und auch Andreas empfand, er wußte nicht warum, Bewunderung für Doktor Libbenow.

Es war die Rede von den mißlichen finanziellen Verhältnissen des Schauspielerpaares Beckenberger. Der Mann war in der Gunst des Publikums rapide gesunken, von seinem Direktor bekam er nur noch ein Taschengeld, und er verschwendete dasjenige, was sich die Frau in arbeitsamen Nächten, gleichfalls ohne Zuthun des Bühnenleiters, verdiente. Vor fechs Jahren hatten sie jeder zehntausend Mark gehabt.

„I wo,“ sagte Doktor Pohlatz.

„Sie glauben das doch nicht?“ fragte er Andreas.

Dieser lächelte verbindlich.

Pohlatz erläuterte:

„Die Weiber bekommen nämlich überhaupt nie was, darauf gebe ich Ihnen mein kleines Ehrenwort.“

„Warum denn nicht?“ riefen die anderen.

„Lizzi Laffé hat noch heute ihre zehntausend, und sie geht auf fünfzig.“

„Reden Sie doch keine Makulatur!“ versetzte Pohlatz schroff. „Was Lizzi hat, hat sie von Türkheimer.“

Die Namen, die Andreas hörte, prägten sich ihm ein, alles, was gesprochen wurde, schien ihm bedeutend, am bedeutendsten aber Doktor Pohlatz. Er wußte alles, er widersprach allen, er kannte die Einnahmen jedes Schauspielers besser als dieser selbst. Aber als er endlich fortging, ward es noch gemütlicher. Andreas erlaubte sich die Frage:

„Welcher Zeitung gehört Herr Doktor Pohlatz an?“

„Doktor?“ sagte jemand, „der Kerl ist ja zum Sterben zu dähmlich.“

„Einen Cognac und das Adreßbuch! rief Doktor Libbenow.

„Das ist untrüglich,“ sagte er, indem er den Finger auf Pohlatz’ Namen legte. „Hier sind dem Doktor seine Grenzen gesetzt.“

„Wer ist denn überhaupt noch Doktor?“ bemerkte ein dicker, schäbig aussehender Herr mit wolligem schwarzen Vollbart.

„Wenn man nur sonst gesund ist,“ fügte er hinzu.

„Doktor Buhl? Doktor Rebbiner?“

Ein Doktor nach dem anderen ward im Kalender aufgeschlagen und keiner vertrug die Stichprobe. Nur Doktor Libbenow verschonte man aus Höflichkeit.

Daß auch Doktor Wacheles vom „Kabel“ und der große Abell ihren Titel nur der Gefälligkeit der Kollegen verdankten, machte auf Andreas immerhin Eindruck, aber gewissermaßen brachte der Umstand sie ihm menschlich näher, indem er ihn mit ihrer Größe aussöhnte.

Köpf war bereits verschwunden, als die Anderen aufbrachen. Doktor Libbenow sagte zu Andreas, der sich von ihm verabschiedete:

„Nehmen