: Lola Randl
: Angsttier
: Matthes& Seitz Berlin Verlag
: 9783751800617
: 1
: CHF 15.20
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 174
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das kleine Häuschen auf dem Land war ein echter Glücksfall, Friedel ist schwanger und Jakob hat endlich die nötige Ruhe, um an seinem zweiten Roman zu schreiben. Alles ist perfekt. Also fast. Natürlich muss erst noch renoviert und ein Wickeltisch gebaut werden und vielleicht ein Bett, denn gekaufte Betten würden gar nicht in diese Idylle passen. Dann kann es endlich so sein, wie Jakob es sich schon als Kind immer gewünscht hat. Die Nachbarn sind zwar hilfsbereit, haben aber ihre eigenen Vorstellungen vom Leben auf dem Land. Dass Ramona, die übergewichtige Mutter von Denny, der wohl schon lange vor ihnen auf das Haus scharf war, Jakob so den Kopf verdreht, ist doch nicht normal. Zum Glück gibt es noch die Wälder und die Natur. Nachdem Jakob eines Nachts von einem Tier angefallen und gebissen wird, tritt jedoch immer häufiger seine eigene Natur zutage. Die Arbeit an seinem Buch verwirft er, sie harmoniert ohnehin nicht mit seinen einnehmenden Tagträumen und harschen Eskapaden. Viel interessanter scheinen ihm jetzt die Sagen aus der Umgebung. Was hat es etwa mit der Geschichte von den behaarten Dorfbewohnern und dem sprechenden Pferdekopf auf sich? Waren hier vielleicht schon immer alle verrückt?!

Lola Randl, 1980 in München geboren, arbeitet als Drehbuchautorin und Regisseurin für Kino und Fernsehen. Zuletzt entstanden die Fernsehserie Landschwärmer (2014) und der Kinofilm Von Bienen und Blumen (2019). Mit ihrem Roman Der Große Garten war sie für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert. Randl lebt in einem kleinen Ort in der brandenburgischen Uckermark.  

II


Als sich die Gletscher einhunderttausend Jahre später zurückzogen, hinterließen sie riesige Hohlräume, gefüllt mit Steinen und Eis. Tief in der Erde konnten die Eislöcher noch viele Generationen überleben, aber als es dann immer wärmer und wärmer wurde, musste auch das eingegrabene Eis schmelzen. Als das Wasser abfloss, blieb nur noch ein Loch voller großer Steine, das irgendwann in sich zusammenfiel und an der Oberfläche als Mulde zu erkennen war. Wie es unter diesen Mulden aussah, noch Hunderte von Metern in die tiefe kalte Erde hinein, wusste niemand so genau. Wenn es regnete, sammelte sich Wasser in den Mulden, und wenn es lange nicht regnete, trockneten sie aus. Die Menschen nannten die Mulden Himmelsteiche, weil sie sich nur mit dem Wasser des Himmels füllten, und maßen ihnen sonst weiter keine Bedeutung bei.

Die lange Straße durch den Kiefernwald machte ihnen keine Angst mehr. Sie stellten am Anfang der geraden Strecke den Tageskilometerzähler auf null,