: Christian Wiese, Eric Jacobson
: Weiterwohnlichkeit der Welt Zur Aktualität von Hans Jonas
: CEP Europäische Verlagsanstalt
: 9783863936129
: 1
: CHF 13.50
:
: Philosophie, Religion
: German
: 379
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Philosophie von Hans Jonas hat eine tiefe Wirkung auf ein weites Spektrum von Lesern in Europa, Asien und in Amerika entfaltet. Mit seinem ethischen Entwurf 'Das Prinzip Verantwortung' gewann er insbesondere in Deutschland in der ökologischen Bewegung in den 70er Jahren einen enormen Einfluss. Die Autoren dieses von Christian Wiese und Eric Jacobson herausgegebenen Bandes (u.a. Micha Brumlik, Konrad Liessmann, Michael Löwy) versuchen hier eine Neubewertung seines herausragenden Beitrags zum religionsgeschichtlichen und philosophischen Diskurs seiner Zeit. Erstmals liegt hier der Versuch vor, die vier zentralen Elemente des Werkes von Hans Jonas in ihrer Gesamtheit und ihrem inneren Zusammenhang zu beleuchten: deutsch-jüdische Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts, Erforschung der spätantiken Gnosis, Ethik und Philosophie der Verantwortung für die technologische Zivilisation sowie theologische Reflexionen nach dem Zivilisationsbruch von Auschwitz. Die international anerkannten Forscherinnen und Forscher arbeiten die vielfältigen Facetten des Denkens von Hans Jonas heraus. Sein leidenschaftliches Plädoyer für die 'Weiterwohnlichkeit der Welt' ist vor diesem Hintergrund von bleibender Aktualität.

Christian Wiese ist seit 2010 Inhaber der Martin Buber-Professur für Jüdische Religionsphilosophie und geschäftsführender Direktor des Instituts für Religionsphilosophische Forschung an der Goethe Universität Frankfurt am Main. Zuvor war er Direktor des Centre for German-Jewish Studies an der University of Sussex. Seine Forschungsgebiete liegen im Bereich der modernen jüdischen Geistes- und Kulturgeschichte, der jüdischen Religionsphilosophie und der Geschichte der jüdisch-christlichen Beziehungen. Zu seinen Publikationen zählen die beiden Monographien Challenging Colonial Discourse: Jewish Studies and Protestant Theology in Wilhelmine Germany (2005) und The Life and Thought of Hans Jonas: Jewish Dimensions (2007). Er ist zudem Herausgeber oder Mitherausgeber zahlreicher Sammelbände, darunter Jüdische Existenz in der Moderne. Abraham Geiger und die Wissenschaft des Judentums (2013), Re-Defining Judaism in an Age of Emancipation: Comparative Perspectives on Samuel Holdheim (1806-60) (2007) oder Modern Judaism and Historical Consciousness: Identities - Encounters - Perspectives (2007).

Vorwort


Am Anfang dieses Buches steht die Überzeugung, daß Hans Jonas, dessen Geburtstag sich 2003 zum hundertsten Mal jährt, nicht nur ein faszinierender Mensch war, in dessen Leben mit seinen dramatischen Erlebnissen und Brüchen sich die Erfahrungen, Krisen und Katastrophen wie die intellektuelle, politische und technologische Entwicklung des zwanzigsten Jahrhunderts widerspiegeln. Vor allem aber war Jonas ein herausragender Philosoph, dessen Werk für die Bewältigung der komplexen politischen und ethischen Probleme unserer Zeit hochaktuell ist. Einem breiten Publikum ist er als Verfasser des berühmten ethischen EntwurfsDas Prinzip Verantwortung bekannt, das seit dem Aufbruch der ökologischen Bewegung Ende der siebziger Jahre vor allem in Deutschland einen enormen Einfluß ausgeübt hat. Noch heute zählt Jonas zu den wichtigsten Stimmen innerhalb der zukunftsethischen Debatten, die in den modernen Industriegesellschaften geführt werden.

Damit ist seine Bedeutung jedoch längst noch nicht erschöpft. Auch den weit weniger bekannten Aspekten seiner Biographie und seines wissenschaftlichen Gesamtwerks, die für das Verständnis seiner Philosophie unerläßlich sind, kommt ein hohes Maß an Aktualität zu. Als in Deutschland geborener, 1933 in die Emigration nach Palästina vertriebener Jude, als Zionist, der als Soldat gegen Nazi-Deutschland kämpfte und dessen Mutter in Auschwitz ermordet wurde, ist er ein wichtiger Zeuge des von den Deutschen während der Nazi-Diktatur zerstörten deutschen und europäischen Judentums. Zugleich ist er ein bedeutender Interpret des deutsch-jüdischen intellektuellen Erbes, das er als Philosoph in seinen Werken und in seiner Wirksamkeit an der New School for Social Research in New York fortsetzte. Von so gegensätzlichen Lehrern wie Martin Heidegger und Rudolf Bultmann geprägt, hat Jonas in seinen frühen Werken eine meisterhafte Gesamtschau der mythologischen Motive und Symbole, religiös-existentiellen Haltungen und ethischen Konzepte vorgelegt, die für das Phänomen der spätantiken Gnosis charakteristisch sind. Die gegenwartsbezogene philosophische Sprengkraft seiner Interpretation besteht dabei in der Entdeckung der Parallelen zwischen dem gnostischen Empfinden eines dualistischen, feindseligen Kosmos und jenem Phänomen, das er als „kosmischen Nihilismus“ des modernen Existentialismus bezeichnete: einer zu Weltangst, Resignation und amoralischer Weltflucht neigenden Überzeugung von der „Geworfenheit“ des Menschen in eine unfreundliche, befremdliche Wirklichkeit.

Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs setzte sich Jonas mit den Ursachen des moralischen wie intellektuellen Scheiterns seines Lehrers Heidegger auseinander, die er in eben jenem ethischen Nihilismus erblickte, und entwarf eine „Philosophie des Organischen“. Sie sollte es dem mit Geist und Freiheit begabten Menschen ermöglichen, sich als integraler Teil einer ganz und gar nicht seelenlosen, sondern sich