1. KAPITEL
Der Regen prasselte gegen die Flügelfenster der Bibliothek, während über der Villa der Stockwells der Donner grollte. Das seit zwei Tagen angekündigte Gewitter hatte die Gegend von Dallas erreicht, aber niemand beschwerte sich. Der Sommer war heiß und trocken gewesen. Die vier Menschen in der Bibliothek schienen gar nicht zu bemerken, was sich draußen abspielte, so vertieft waren sie in ihr Gespräch.
„Also sind wir uns einig?“, fragte Jack Stockwell. „Ich breche morgen zur Farm der Johnsons auf?“
Seine Brüder Cord und Rafe nickten. Seine Schwester Kate zögerte kurz, doch dann stimmte auch sie zu.
Wie immer, wenn er sie betrachtete, wurde Jack warm ums Herz. Sie hatte in letzter Zeit so viel durchmachen müssen. Nach langen Jahren der Trennung hatte sie ihre große Liebe wiedergefunden und sich verlobt, doch der Tod ihres Vaters hatte das Glück ein wenig getrübt. Obwohl sie alle vor ein paar Monaten erfahren hatten, dass Caine Stockwell sie schamlos belogen hatte, waren die Tage nach seiner Beisetzung für Kate schwer gewesen.
Zorn stieg in Jack auf. Wie hatte Caine seinen Kindern so etwas antun können? Er hatte ihre Mutter aus dem Haus getrieben, als sie noch Kleinkinder waren, und ihnen später, als sie alt genug waren, erzählt, Madelyn sei tot. Sosehr Jack es auch versuchte, er konnte nicht um seinen Vater trauern. Schon als Kind hatte er gewusst, dass sein Vater ihn hasste. Jedes Wort, jede Ohrfeige, jede Brutalität von ihm hatte es dem Jungen bewiesen. Noch immer fragte Jack sich, warum Caine seinen ältesten Sohn so behandelt hatte. Und auch jetzt ärgerte er sich darüber. Was spielte es noch für eine Rolle? Caine war inzwischen tot. Das Unrecht, das er begangen hatte, war nicht mehr gutzumachen.
„Ich kann kaum glauben, dass Dad nicht wenigstens versucht hat herauszufinden, ob Gabriel Johnson die Wahrheit sagte“, meinte Kate. Sie und ihre Brüder hatten unter Caines Papieren einige Briefe entdeckt, in denen ein Gabriel Johnson ihrem Großvater vorwarf, seinen Vater um dessen Vermögen betrogen zu haben. „Schließlich sind die Johnsons die Familie unserer Mutter!“
„Verdammt, Kate, warum fällt es dir so schwer, das zu glauben? Überleg doch mal, was unser Vater uns angetan hat!“, entgegnete Jack. Caine Stockwell war ein rücksichtsloser Geschäftsmann gewesen. Für ihn hatte nur das Recht des Stärkeren gegolten. Wenn die Johnsons es nicht geschafft hatten, ihr Vermögen zu erhalten, war das ihr Problem, nicht seins.
Trotzdem war Jack nicht sicher, ob Gabriel Johnsons Anschuldigung gerechtfertigt war. Wenn er, wie er behauptete, Beweise hatte, warum hatte er sie nicht vorgelegt? Warum hatte er Caine nicht vor Gericht zitiert und ihn auf Herausgabe des Johnson-Vermögens verklagt?
Bei seinen Nachforschungen hatte Jack herausgefunden, dass Gabriel Johnson verstorben war und dass es nur zwei direkte Nachkommen gab. Einen Jungen und ein Mädchen, die mit ihrer Mutter auf einer Rosenfarm in Rose Hill im Staate Texas lebten.
Also würde er sich morgen auf den Weg dorthin machen.
„Was willst du dieser Beth Johnson denn sagen?“, fragte Rafe.
Jack zuckte mit den Schultern. „Ich bin mir nicht sicher. Das hängt davon ab, was ich dort erfahre.“
„Du wirst die richtige Entscheidung treffen. Rafe und ich vertrauen dir, nicht wahr, kleiner Bruder?“, meinte Cord.
Rafe verdrehte die Augen. Cord ließ keine Gelegenheit aus, ihn daran zu erinnern, dass er acht Minuten älter war. „Ja, das tun wir.“
„Ich auch“, versic