: Julia Bruns
: Ostseenächte Küsten Krimi
: Emons Verlag
: 9783960418962
: Küsten Krimi
: 1
: CHF 10.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 272
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein dunkles Kapitel ostdeutscher Geschichte - spannend und authentisch erzählt. Auf dem Rügener Hochuferweg finden Wanderer eine tote Frau, das Gesicht von einem Seidenschal verborgen. Kriminalhauptkommissarin Anne Berber und Pensionswirt Sören Hilgert gibt der Fund Rätsel auf - die Identität des Opfers lässt sich zuerst nicht klären, so bleibt auch ein Motiv offen. Was anfänglich nach einem zufälligen Raubdelikt aussieht, offenbart sich nach und nach als tragische Geschichte aus der Zeit der deutsch-deutschen Teilung.

Julia Bruns, in einem kleinen Dorf mitten in Thüringen geboren, studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie an der Universität Jena. Nach ihrer Promotion im Fach Politikwissenschaft arbeitete sie viele Jahre als Redenschreiberin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Heute schreibt sie als freie Autorin. www.julia-bruns.com

EINS

»Sie sah so schön aus.«

»Ja, wie eine Elfe aus dem Märchenwald.«

»Daran hast du gedacht?«

»Du nicht?«

»Hm. Vielleicht.« Pause. »Eine gewisse Ähnlichkeit besteht. Diese zarten Gliedmaßen und das puppenhafte Gesicht.«

»Das konnte man doch gar nicht richtig sehen.« Sie biss sich auf die Unterlippe und streckte dann das Kinn nach vorn, als müsste sie darüber nachdenken. »Na ja, schon irgendwie, mit ein wenig Vorstellungskraft.«

»Nach allem, was wir über den verwunschenen Granitzwald gelesen haben, würde das auch passen, eine Elfe unter dem dichten Blattgrün der Bäume und auf einem Teppich aus Moos.«

»Ja, nicht wahr? Und vergiss nicht den Schwarzen See.« Das Kaffeegeschirr klapperte, als sie die Tasse zurück auf den Unterteller stellte. »Irgendwie unheimlich ist es dort schon. Im Reiseführer stand, dass er mindestens fünfzehn Meter tief sein soll.« Sie nickte angetan. »Wer weiß, was da unten alles ist. Kannst du dir vorstellen –«

»Nein. Kein Bedarf. Unsere Elfe jedenfalls nicht. Die hatte es auf ihrem Moosbett schön weich.«

»Wenigstens das.« Die ältere Dame seufzte. »Aber dort muss es doch kalt sein. Der dichte Wald und das Wasser. Und erst das Moor. Ich persönlich finde so ein Moor ja immer etwas unheimlich … Das steckt voller Geheimnisse. Ganz gewiss.«

Ihre Freundin und Reisebegleiterin schwieg.

»Schrecklich ist das irgendwie dennoch, oder?«

»Die Tatsache an sich, nein. Wer nicht stirbt, hat nicht gelebt. So ist das nun einmal. Das Leben endet für jeden. Den Schrecken reden sich die Menschen nur ein.«

»Aber in der Blüte der Jahre –«

»Elfen sind alterslos«, fuhr ihr die Freundin über den Mund. »Oder, Herr Hilgert? Sagen Sie doch auch einmal etwas dazu.«

»Genau. Wie ist denn Ihre Meinung zu der Angelegenheit?«

Sören Hilgert antwortete nicht. Stattdessen schenkte er den beiden noch einmal von dem Kaffee ein, den er gerade frisch aufgebrüht hatte. Frau Gabriella und Frau Sylvia waren erst seit drei Tagen seine Pensionsgäste, hatten es nun aber schon das zweite Mal so hingedreht, dass er sich nach dem Frühstück zu ihnen gesellte und einen Plausch mit ihnen hielt. Dabei war Hilgert von Natur aus alles andere als gesprächig, und ihm lag erst recht nichts daran, seinen Gästen ein unterschiedliches Maß an Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, aber die beiden Berlinerinnen waren so hartnäckig in ihrem Bestreben, sich mit ihm auszutauschen, dass er sich dem schwerlich entziehen konnte. Möglicherweise ging er dabei auch nicht ganz so konsequent vor wie sonst – was daran liegen mochte, dass die beiden aus seiner einstigen Wahlheimat stammten und durchaus die ein oder andere Neuigkeit aus der Hauptstadt mitgebracht hatten. Er konnte es nicht verhehlen, ein Stück dieser faszinierenden Stadt war in seinem Herzen geblieben, auch wenn er Berlin damals so sang- und klanglos den Rücken gekehrt hatte. Von seinen Berliner Gästen erfuhr er vom Bau des höchsten Hochhauses der Stadt auf dem Alexanderplatz oder dem Abschluss der Sanierung der Nationalgalerie. Er erfreute sich