: Emily Brontë
: Sturmhöhe
: Kampa Verlag
: 9783311703204
: 1
: CHF 9.80
:
: Erzählende Literatur
: German
: 528
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Aus der Moorlandschaft Yorkshires erhebt sich das Anwesen Wuthering Heights, den Naturgewalten schutzlos ausgesetzt. Dort wachsen die Bauerntochter Catherine Earnshaw und das Findelkind Heathcliff gemeinsam auf. In ihren stürmischen Wesen erkennen sie sich als Seelenverwandte, im Kampf gegen äußere Widerstände als Verbündete - und sie verlieben sich leidenschaftlich ineinander. Doch Catherine beschließt, den vermögenden Edward Linton von Thrushcross Grange zu heiraten, und Heathcliff verschwindet. Jahre später kehrt er zurück, auf rätselhafte Weise zu Reichtum gekommen. Doch Catherine will Linton nicht verlassen, und Heathcliff sinnt auf Rache. Emily Brontës einziger Roman erzählt von familiärer Gewalt, von der Macht der Psyche und von einer Liebe, die Grenzen sprengt. Die Zeitgenossen lehnten ihn ab, heute gilt er wegen seiner Radikalität als eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur.

Emily Brontë, geboren 1818 in Thornton, Yorkshire, wuchs mit ihren Schwestern Charlotte und Anne recht abgeschieden in dem von einer Moorlandschaft umgebenen Örtchen Haworth auf, wo ihr Vater die Kirchengemeinde leitete. Aber die Mädchen wussten sich zu beschäftigen und dachten sich schon als Kinder gemeinsam kurze Geschichten über selbst erschaffene Länder aus. Emily erhielt eine gute Schulbildung in England und Brüssel und arbeitete eine Zeit lang als Lehrerin, kehrte dann aber nach Haworth zurück und kümmerte sich um den Haushalt der Familie. Die drei bis heute weltberühmten Debütromane der drei Schwestern (Sturmhöhe, Jane Eyre und Agnes Grey) erschienen allesamt 1847 unter den Pseudonymen Ellis, Acton und Currer Bell. Brontë starb 1848 mit nur dreißig Jahren, vermutlich an Tuberkulose oder einer Lungenentzündung.

Sturmhöhe


1


1801. Ich bin gerade von einem Besuch bei meinem Gutsherrn zurückgekehrt – diesem einsamen Nachbarn, der mir zu schaffen machen wird. Was für eine schöne Gegend! Ich glaube nicht, dass ich in ganz England meinen Wohnsitz an einer anderen Stelle hätte aufschlagen können, die so vollkommen abseits vom Getriebe der Welt liegt. Ein echtes Paradies für Menschenfeinde; und Mr Heathcliff und ich sind das richtige Paar, um diese Einsamkeit miteinander zu teilen. Ein famoser Bursche! Er ahnte wohl kaum, wie mein Herz ihm entgegenschlug, als ich sah, wie seine schwarzen Augen sich bei meinem Näherreiten so abweisend unter den Brauen verbargen und wie seine Hände sich in entschiedenem Misstrauen tiefer in sein Wams vergruben, während ich meinen Namen nannte.

»Mr Heathcliff?«, fragte ich.

Ein Nicken war die Antwort.

»Mr Lockwood, Ihr neuer Pächter. Ich erlaube mir, so bald wie möglich vorzusprechen, und hoffe, dass Ihnen die Beharrlichkeit, mit der ich mich um Thrushcross Grange beworben habe, nicht lästig geworden ist. Ich hörte gestern, Sie hätten die Absicht gehabt …«

»Thrushcross Grange gehört mir«, unterbrach er mich auffahrend. »Ich erlaube niemand, mich zu belästigen, wenn ich es verhindern kann. – Herein!«

Das »Herein« wurde zwischen den Zähnen hervorgestoßen und hieß so viel wie: »Geh zum Teufel.« Selbst die Gattertür, über die er sich lehnte, machte keine freundliche Bewegung zu seinen Worten. Ich glaube, nur ein Umstand bewog mich, die Einladung anzunehmen: Ein Mann, der noch zurückhaltender schien, als ich es bin, weckte meine Neugier.

Als er sah, dass mein Pferd die Brust gegen das Gatter drängte, streckte er die Hand aus, um die Kette zu lösen, und ging dann mürrisch den Dammweg voraus. Als wir den Hof betraten, rief er: »Joseph, nimm Mr Lockwood das Pferd ab und bring Wein herauf!«

Dies wird wohl das ganze Gesinde sein, überlegte ich, als ich diesen zusammenfassenden Befehl vernahm. Kein Wunder, dass Gras zwischen dem Pflaster wächst und die Hecken nur von den Rindern gestutzt werden.

Joseph war ein ältlicher, nein, ein alter Mann; vielleicht sogar sehr alt, wenn auch gesund und sehnig.

»Gott behüte!«, sagte er in gereiztem Ton vor sich hin, während er mir mein Pferd abnahm, und warf mir dabei einen so missmutigen Blick zu, dass ich voller Mitleid daraus schloss, er bedürfe wohl göttlicher Hilfe, um sein Mittagessen zu verdauen, und sein frommer Stoßseufzer könne sich nicht auf meine unerwartete Ankunft beziehen.

Wuthering Heights, Sturmhöhe, heißt Mr Heathcliffs Besitztum. »Wuthering« ist ein trefflicher mundartlicher Ausdruck, um den Aufruhr der Lüfte zu beschreiben, dem dieser Ort bei stürmischem Wetter ausgesetzt ist. Die Leute dort oben müssen zu allen Zeiten kräftig durchgeblasen werden. Man kann sich die Gewalt des Sturmes, der um die Ecke bläst, recht vorstellen, wenn man die paar schiefgewehten dürftigen Kiefern am Ende des Hauses betrachtet und eine Reihe dürrer Dornbüsche sieht, die alle ihre Arme nach einer Seite strecken, als wollten sie die Sonne um ein Almosen bitten. Zum Glück hatte der Baumeister ein festes Haus hingesetzt: Die schmalen Fenster sind tief in die Mauer eingelassen und die Ecken durch große vorstehende Steine gesichert.

Bevor ich über die Schwelle trat, hielt ich inne, um eine Reihe grotesker Schnitzereien zu bewundern, die verschwenderisch an der Vorderseite und besonders am Haupteingang angebracht waren. Über diesem entdeckte ich mitten in einem Wirrwarr zerbröckelnder Greif