: Gustave Flaubert
: Salambo Historischer Roman
: apebook Verlag
: 9783961304349
: 1
: CHF 2.70
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: Historische Romane und Erzählungen
: German
Nach dem Ersten Punischen Krieg ist Karthago nicht in der Lage, die Versprechen zu erfüllen, die es seiner Söldnerarmee gegeben hat, und sieht sich einem Aufstand der Söldner ausgesetzt, die ihren Lohn verlangen. Die fiktive Titelfigur, eine Priesterin und Tochter von Hamilkar Barkas, dem bedeutendsten karthagischen General, ist das Objekt der obsessiven Begierde von Matho, einem Anführer der Söldner. Mit Hilfe des intriganten freigelassenen Sklaven Spendius stiehlt Matho den heiligen Schleier Karthagos, die Zaïmphe, was Salambo dazu veranlasst, in das Lager der Söldner einzudringen, um sie zurückzuerobern. Die Zaïmphe ist ein kunstvoller, mit Juwelen besetzter Schleier, der um die Statue der Göttin Tanit im Allerheiligsten ihres Tempels drapiert ist: Der Schleier ist die Wächterin der Stadt, und wer ihn berührt, muss sterben. 'Salambo' (1862) ist ein historischer Roman von Gustave Flaubert. Er spielt in Karthago im 3. Jahrhundert v. Chr., unmittelbar vor und während des Söldneraufstands, der kurz nach dem Ersten Punischen Krieg stattfand. Flauberts Hauptquelle war Buch I der Historien des Polybius. Der Roman löste ein neues Interesse an der Geschichte des Konflikts zwischen dem vorkaiserlichen Rom und der nordafrikanischen phönizischen Kolonie Karthago aus. Die zeitgenössischen Leser*innen, die mit Flauberts früherem realistischen Werk 'Madame Bovary' vertraut waren, waren schockiert von der wahllosen Gewalt und der Sinnlichkeit, die sich durch den ganzen Roman ziehen, weshalb 'Salambo' trotz des Lobes, das er für seinen Stil und seine Geschichte erhielt, in literarischen Kreisen bis heute umstritten ist. Nichtsdestotrotz war es ein großer Bestseller, der den Ruf des Autors als einer der bedeutendsten französischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts begründete, wobei sogar einige der beschriebenen karthagischen Kostüme die zeitgenössische französische Mode beeinflussten.

1 DAS GELAGE


 

 

Es war in Megara, einer der Vorstädte von Karthago, in den Gärten Hamilkars.

Die Söldner, die er in Sizilien befehligt hatte, feierten den Jahrestag der Schlacht am Eryx durch ein großes Gelage. Da der Feldmarschall abwesend uud die Versammlung zahlreich war, schmauste und zechte man auf das zwangloseste.

Die Offiziere hatten sich gestiefelt und gespornt in der Hauptallee gelagert, unter einem goldbefransten Purpurzelt, das von der Stallmauer bis zur untersten Schloßterrasse ausgespannt war. Die Scharen der Gemeinen lagen weithin unter den Bäumen, durch die man zahlreiche flachdachige Baracken, Winzerhäuschen, Scheunen, Speicher, Backhäuser und Waffenschuppen schimmern sah, einen Elefantenhof, Zwinger für die wilden Tiere und ein Sklavengefängnis.

Feigenbäume umstanden die Küchen. Ein Sykomorenhain endete an einem Meere grüner Büsche, daraus rote Granatäpfel zwischen weißen Baumwollenkotten leuchteten. Traubenschwere Weinreben strebten bis in die Wipfel der Pinien. Unter Platanen glühte ein Rosenfeld. Hier und da wiegten sich Lilien über dem Grase. Die Wege bedeckte schwarzer Kies, mit rotem Korallenstaub vermischt. Von einem Ende zum andern durchschnitt den Park eine hohe Zypressenallee, gleich einem Säulengange grüner Obelisken.

Ganz im Hintergrunde leuchtete auf breitem Unterbau das Schloß mit seinen vier terrassenartigen Stockwerken, aus numidischem, gelbgesprenkeltem Marmor. Seine monumentale Freitreppe aus Ebenholz, deren einzelne Stufen links und rechts mit den Schnäbeln eroberter Schlachtschiffe geschmückt waren, – seine roten Türen, die je ein schwarzes Kreuz vierteilte, – seine Fensteröffnungen, die im untersten Stock Drahtgaze vor den Skorpionen schützte, während sie in den oberen Reihen vergoldetes Gitter zeigten, – all diese wuchtige Pracht dünkte die Soldaten so hoheitsvoll und unnahbar wie Hamilkars Antlitz.

Das Gelage fand auf Anordnung des Rates an diesem Orte statt. Die Verwundeten, die im Eschmuntempel lagen, waren bei Morgengrauen aufgebrochen und hatten sich an Krücken und Stöcken hergeschleppt. Immer mehr Menschen trafen ein. Auf allen Wegen strömten sie herbei, unaufhörlich, wie sich Bäche in einen See ergießen. Die Küchensklaven liefen unter den Bäumen hin und her, hastig und halbnackt. Klagend flohen von den Rasenplätzen die Gazellen. Die Sonne ging unter. Der Zitronenbäume Duft machte den Dunst der erhitzten Menschenmenge noch schwerer.

Alle Völker waren vertreten: Ligurer, Lusitanier, Balearier, Neger und römische Überläufer. Neben der schwerfälligen dorischen Mundart dröhnten, rasselnd wie Feldgeschütz, die Worte der Kelten, und die klangvollen jonischen Endungen wurden von Wüstenlauten verschlungen, rauh wie Schakalgeheul. Den Griechen erkannte man an seiner schlanken Gestalt, den Ägypter an den hohen Schultern, den Kantabrer an den feisten Waden. Karier schüttelten stolz die Federbüsche ihrer Helme. Kappadokische Bogenschützen sah man, die auf ihrem Körper Blumenarabesken trugen, mit Pflanzensäften aufgemalt. Auch Lydier saßen beim Mahle, in Frauengewändern und Pantoffeln, Gehänge in den Ohren. Andre hatten sich zum Schmucke mit Zinnober angestrichen und sahen aus wie Statuen aus Korall.

Sie ruhten auf Kissen, hockten schmausend um große Schüsseln oder lagen auf dem Bauche, die Ellbogen aufgestemmt, und zogen die Fleischstücke zu sich heran, alle in der gemächlichen Haltung von Löwen, die ihre Beute verzehren. Die zuletzt Gekommenen lehnten an den Bäumen, blickten nach den niedrigen Tischen, die unter ihren scharlachroten Decken halb verschwanden, und harrten, bis die Reihe an sie kam.

Da Hamilkars Küchen nicht ausreichten, hatte der Rat Sklaven, Geschirr und Liegebänke geschickt. In der Mitte des Gartens flammten wie auf einem Schlachtfelde, wenn man die Toten verbrennt, große helle Feuer, an denen Ochsen gebraten wurden.

Brote, mit Anis bestreut, lagen neben Käsen, größer und schwerer als Diskosscheiben. Mischkrüge voll Wein und Wasser standen neben Körben aus Goldfiligran, in denen Blumen dufteten. Die Freude, nun endlich nach Belieben schwelgen zu können, weitete aller Augen. Hier und da