: Martin von Arndt
: Wie wir töten, wie wir sterben Politthriller
: ars vivendi
: 9783747203309
: 1
: CHF 11.70
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: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Bonn, 1961: Agent Dan Vanuzzi wird vom französischen Auslandsnachrichtendienst angeheuert, zwei in der BRD untergetauchte Mitglieder der algerischen Befreiungsarmee aufzuspüren. Der Algerienkrieg tobt mittlerweile seit sieben Jahren, und den beiden werden Kriegsverbrechen an französischen Soldaten zur Last gelegt. Um sie zu fangen, muss Vanuzzi seine ganze Kraft und Erfahrung aus zwanzig Jahren Geheimdienst aufbieten. Doch schon nach kurzer Zeit wird klar, dass niemand der ist, der er zu sein scheint. Vanuzzi kontaktiert seinen alten Gefährten Rosenberg, der als Mossad-Agent in der BRD den ehemaligen KZ-Kommandanten Arthur Florstedt aufspüren und nach Israel entführen soll. Rosenberg wird dabei mit seinem eigenen Trauma konfrontiert, der Ermordung seiner Familie im KZ und seinem eigenen Überleben. Vanuzzi und Rosenberg versuchen sich gegenseitig zu helfen und begeben sich in die Abgründe der Geschichte... Ein explosiver Spionageroman um die Traumata Frankreichs und Deutschlands: die koloniale Vergangenheit und der Holocaust.

MARTIN VON ARNDT, 1968 als Sohn ungarischer Eltern geboren, lebt als Schriftsteller und Musiker bei Stuttgart und in Essen. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise und Stipendien. 2014 erschien der Roman Tage der Nemesis im ars vivendi verlag, 2016 folgte Rattenlinien, 2019 Sojus, mit dem er für den Crime Cologne Award nominiert war.

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Spätherbst 1961

Im Alter von sechs Jahren zwang ihn sein Vater dazu, Bleiche zu trinken. Nicht so viel, dass er sich die Speiseröhre dauerhaft verätzt hätte – gerade genug, dass er zwei Tage lang Bauchkrämpfe hatte und sich so oft übergab, bis er Sternchen sah, sogar als er aufgehört hatte, sich zu übergeben.

Vielleicht hatte ihn sein Vater davon abhalten wollen, zum Säufer zu werden wie alle anderen Männer in der Familie. Oder er wollte, dass seine Kinder niemandem blindes Vertrauen entgegenbrachten, nicht mal dem eigenen Vater. Oder, und das war am wahrscheinlichsten, er hatte rein gar nichts damit bezweckt, weil der Vater ständig Blödsinn mit seinen Jungs trieb, wenn die Mutter kein Auge auf sie hatte.

Jetzt fühlte sich seine Magengrube wieder so an, als hätte man ihm Bleiche eingeflößt. Die Attacke war unerwartet, der Schlag hatte ihn mit einer Geschwindigkeit und Härte getroffen, wie er sie nie zuvor erlebt hatte. Es war, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggerissen, alles Blut schien sich aus seinen Beinen zurückzuziehen. Er krümmte sich, würgte, taumelte rückwärts. Er sah, wie der Angreifer abermals auf ihn zustürmte, er musste zwei, drei Schritte zur Seite tun, sonst würde ihn der andere endgültig fertigmachen. Er wich im Krebsgang aus, ihm war unbeschreiblich schlecht, es hörte gar nicht mehr auf. Der Angreifer fokussierte ihn, Entschlossenheit in den Augen. Oder Blutgier.

Er atmete dreimal durch, so tief es ging. Seine Beine hatten die bleierne Schwere verloren, der andere würde es jetzt nicht mehr so leicht haben, ihn zu überrumpeln. Dann traf ihn ein Schlag auf das rechte Ohr. Es blitzte in ihm auf, als ob etwas in seinem Hirn geplatzt wäre, und er ging zu Boden. Schwärze breitete sich von der Brust bis zu den Haarspitzen über seinen Kopf, er hö