Eins
Cat, März1983
Zu Moms beharrlichem Verdruss sind sämtliche Männer, denen ich begegne, tot. Aber so ist das nun mal, wenn man in einem Bestattungsinstitut arbeitet. Selbst die Typen, die ich an meinen freien Tagen zu Gesicht kriege und die in Schlaghose und mit offenem Kragen über die Uferpromenade bummeln, grinsend den Mädchen hinterherglotzen und händeweise salzige Karamellbonbons in sich hineinstopfen, sehen kaum aus, als ob sie am Leben wären. Zugegeben, sie sind Touristen, die hier sind, um sich in den Casinos und Spielhallen zu amüsieren. Sie sind in Atlantic City, um der Realität zu entfliehen.
Morgens, wenn ich aufstehe und zum Strand gehe, sind keine Touristen unterwegs. Nicht nur, weil es gerade erst dämmert und der Himmel noch rosa ist, sondern weil unser Stadtteil als unsicher gilt. Die übliche Empfehlung lautet, sich nicht weiter als einen Häuserblock vom Strand zu entfernen. »Gütiger Himmel«, sagen die alten Damen in ihren Karohosen zueinander. »Pass ja auf, dass du nicht versehentlich zu weit gehst.«
Sobald ich aber die breite Fahrbahn der Atlantic Avenue passiert habe, gibt es keine mit Schindeln gedeckten Häuser und Baulücken mehr, und ich bin in der Gegend, die die Menschen beim Gedanken an Atlantic City vor Augen haben: große Casinos, hoch aufragende Hotels, Portiers in Uniform, die gähnend auf ihrem roten Teppichflecken stehen. Hier rieche ich schon die salzige Luft vom Ozean her, und bald bin ich auf der lang gezogenen Promenade, und unterhalb von mir raunt das Meer. Der schwachen Frühlingssonne gelingt es noch nicht, die Luft zu erwärmen, und niemand ist so dumm, ans Schwimmen zu denken. Ich gehe an den Geschäften vorbei, an deren Türen Schilder mit der Aufschrift »Geschlossen« hängen; in der Brise klirren die festgeketteten Surfbretter, und außer mir sind nur die Straßenkehrer und ein paar streunende Katzen unterwegs.
Entlang der gesamten Uferpromenade stehen grüne Holzbänke mit Blick über das Wasser. Jeden Morgen bleibe ich an derselben Bank stehen und fahre mit den Fingern über die kleine Bronzetafel. Unten am Strand wartet das Meer, das tröstliche Schwappen der Wellen, die unendliche Weite aus Blau auf Blau. Ich halte den Atem an in der Hoffnung, Delfinflossen auszumachen, und schnappe nach Luft, als ich sie tatsächlich sehe: Drei Delfine tauchen in den Wellen auf und ab. Ich weiß, dass ich ihnen nicht nahe kommen werde, aber die Freude über ihren Anblick jagt mich die Stufen hinunter zum Strand. Direkt am Wasser ziehe ich die Jeans und das Sweatshirt aus, unter denen ich meinen Badeanzug trage, und bevor ich mir allzu viele Gedanken darüber machen kann, wie eisig es ist, stürze ich mich hinein.
Nichts existiert mehr als das grünblaue Wasser und die betäubende Kälte. Ich schwimme schnell, meine Arme graben sich einen Weg durch die sanften Wellen, und ich zähle, das Ufer immer im Blick, die noch nicht besetzten Häuschen der Rettungsschwimmer, damit ich weiß, an welcher Stelle ich umkehren und zurückschwimmen muss. Als ich sc