: Norma Schneider
: Frühlingsgeschichten für glückliche Stunden
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104915548
: 1
: CHF 10.00
:
: Anthologien
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das perfekte Geschenkbuch für die schönste Zeit des Jahres - mit Texten von Judith Hermann, Felicitas Hoppe, Christoph Ransmayr und vielen anderen. Endlich Frühling! »Es ist Zeit sich zu freuen / an atmenden Farben / zu trauen dem blühenden Wunder«, schreibt Rose Ausländer über den Frühling. Und so ist es ja auch, jedes Jahr aufs Neue: Die Welt wird endlich wieder bunter und wärmer. Und nicht nur in der Natur wächst es und keimt - auch unsere Herzen öffnen sich, so vieles scheint plötzlich möglich. Oder wie Peter Kurzeck schreibt: »Das Leben ruft. Hell liegt die Erde vor uns. Warum können nicht alle Tage so sein?«

Thomas Mann

Frühling auf dem Zauberberg


Das geschah, als auf den in ewig eintönigem Rhythmus anrollenden Meereswogen der Zeit Ostern herangetrieben war und auf »Berghof« begangen wurde, wie man alle Etappen und Einschnitte dort aufmerksam beging, um ein ungegliedertes Einerlei zu vermeiden. Beim ersten Frühstück fand jeder Gast neben seinem Gedecke ein Veilchensträußchen, beim zweiten Frühstück erhielt jedermann ein gefärbtes Ei, und die festliche Mittagstafel war mit Häschen geschmückt aus Zucker und Schokolade.

»Haben Sie je eine Schiffsreise gemacht, Tenente, oder Sie, Ingenieur?« fragte Herr Settembrini, als er nach Tische in der Halle mit seinem Zahnstocher an das Tischchen der Vettern herantrat … Wie die Mehrzahl der Gäste kürzten sie heute den Hauptliegedienst um eine Viertelstunde, indem sie sich hier zu einem Kaffee mit Kognak niedergelassen hatten. »Ich bin erinnert durch diese Häschen, diese gefärbten Eier an das Leben auf so einem großen Dampfer, bei leerem Horizont seit Wochen, in salziger Wüstenei, unter Umständen, deren vollkommene Bequemlichkeit ihre Ungeheuerlichkeit nur oberflächlich vergessen läßt, während in den tieferen Gegenden des Gemütes das Bewußtsein davon als ein geheimes Grauen leise fortnagt … Ich erkenne den Geist wieder, in dem man an Bord einer solchen Arche die Feste der terraferma pietätvoll andeutet. Es ist das Gedenken von Außerweltlichen, empfindsame Erinnerung nach dem Kalender … Auf dem Festlande wäre heut Ostern, nicht wahr? Auf dem Festlande begeht man heut Königs Geburtstag, – und wir tun es auch, so gut wir können, wir sind auch Menschen … Ist es nicht so?«

Die Vettern stimmten zu. Wahrhaftig, so sei es. Hans Castorp, gerührt von der Anrede und vom schlechten Gewissen gespornt,