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Ein Trauerfall
»Jetzt stell dich nicht so an!«, sage ich zu Doktor Herkenrath, der furchtsam winselt, während ich versuche, ihm eine schwarze Samtschleife ins Fell zu binden. »Wenn man eine Trauerfeier besucht, trägt man was Schwarzes. Das gehört sich so.«
Natürlich kann Doktor Herkenrath das nicht wissen. Als Cockerspaniel geht man nicht besonders häufig zu Trauerfeiern. Aber heute habe ich ihn zwangsverpflichtet. Zum einen, damit ich nicht die einzige Trauernde bin, und zum anderen, weil ihn sein wehmütiger Schiele-Blick zur Zierde jeder Trauerfeier macht.
Ich bin selbstverständlich auch dem Anlass entsprechend gekleidet: ein schwarzes luftiges Sommerkleid und schwarze Riemchensandalen. Für den nötigen Hauch von Eleganz sorgt das schwarze Hütchen, das Mama immer aufsetzt, wenn sie zu einer Beerdigung geht. Ich habe es mir aus ihrem Kleiderschrank geborgt.
Wüsste Mama davon, wäre sie nicht erfreut. Wir haben unsere Grundsätze: Ich verleihe keine Bücher, Mama verleiht keine Kleidung, Schuhe oder Hüte. Vor allem nicht an mich, nachdem ich mir mal (ohne zu fragen) ein Halstuch von ihr geliehen und mit Blaubeer-Marmelade bekleckert habe.
Aber Mama ist gerade zweitausendfünfhundert Kilometer entfernt. Sie und Papa sind Tierfilmer und befinden sich seit ein paar Tagen in Griechenland, wo sie eine Dokumentation über Oktopusse drehen. Nach Abschluss der Filmaufnahmen werden meine Eltern in Griechenland bleiben und ich werde zu ihnen fliegen, um einen Familienurlaub zwischen blauem Meer und antiken Baudenkmälern zu verbringen. Ich war noch nie in Griechenland und freue mich riesig darauf, das Land gemeinsam mit Papa und Mama kennenzulernen. Aber bis es so weit ist, sind es noch gut