: Werner Renz
: ad Hannah Arendt - Eichmann in Jerusalem Die Kontroverse um den Bericht 'von der Banalität des Bösen'
: CEP Europäische Verlagsanstalt
: 9783863935849
: 1
: CHF 7.20
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: Geschichte
: German
: 191
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Bei Arendts Bericht über den Eichmann-Prozeß« handelt es sich »um eine nachgerade apokryphe Schrift [...], in der bei weitem mehr abgehandelt wird als der nationalsozialistische Judenmord allein.« (Dan Diner) Hannah Arendts Bericht über den Eichmann-Prozess hat in den 1960er Jahren eine Kontroverse entfacht. Insbesondere frühere Repräsentanten der Juden in Deutschland haben gegen das Buch polemisiert, Arendt gar eine »Kriegserklärung« (Siegfried Moses) ins Haus geschickt. Auch das von Arendt so genannte jüdische Establishment in den USA und in Israel organisierte gegen die Autorin eine regelrechte Kampagne. Monatelang erschienen in Zeitungen und Zeitschriften kritische Artikel und Aufsätze. Die deutsche Ausgabe wollten ihre Gegner verhindern. Sie behaupteten, das Buch richte in Deutschland großen Schaden an und lasse Nazismus und Antisemitismus wieder aufleben. Arendts kritische Darstellung der Anklagevertretung, ihre Bedenken gegen die Instrumentalisierung des Prozesses durch die Ben-Gurion-Regierung, ihre Kritik an der »jüdischen Führung« zur Zeit der sogenannten »Endlösung der Judenfrage«, ihre Ausführungen zur »Kooperation« der Judenräte mit den deutschen Mördern, ihr von Eichmann gezeichnetes Bild, den sie einen »Hanswurst« nannte, lösten Empörung aus. In der Bundesrepublik stieß ihre Darstellung des deutschen Widerstands, ihre Beurteilung der inzwischen verehrten »Männer des 20. Juli«, auf Ablehnung. Unbeachtet blieb indes Arendts vehemente Kritik am Adenauer-Staat, an der unzureichenden justiziellen Aufarbeitung der NS-Verbrechen, an der verlogenen Geschichtspolitik von »Nach-Hitler-Deutschland«. ; Arendt sprach von der »unbewältigten Vergangenheit« von Deutschen und Juden. Ein Thema, das heute noch zur Debatte steht.

Werner Renz, Germanistik- und Philosophie-Studium in Frankfurt a. M., bis zu seiner Pensionierung wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fritz Bauer Institut in der Abteilung Archiv und Bibliothek, Redakteur der EINSICHT. Bulletin des Fritz Bauer Instituts. Arbeitsschwerpunkte: Geschichte der Frankfurter Auschwitz-Prozesse, Geschichte des Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Zahlreiche Veröffentlichungen.

Arendts Versuchung


Gut einen Monat nach der Mitteilung von Premierminister David Ben Gurion in der Knesset Ende Mai 1960, Eichmann befinde sich in israelischem Gewahrsam1 und werde vor Gericht gestellt, schrieb Arendt an ihre Freundin Mary McCarthy, sie »spiele so halb mit dem Gedanken«, als Berichterstatterin nach Jerusalem zu gehen, und sprach von der »Versuchung«, die sie empfinde.2 Sie wandte sich an die Redaktion des auflagenstarken und finanzkräftigen WochenmagazinsThe New Yorker, »eine in Amerika sehr angesehene Zeitschrift« (EJ, S. 12). In dem Hochglanzmagazin hatte sie bis dahin nicht publiziert.3 Die Tatsache aber, dass derNew Yorker gelegentlich fundierte, gut recherchierte Reportagen veröffentlicht hatte, brachte Arendt auf die Idee, der Redaktion zu schreiben. Eine Rolle spielte fraglos auch der Umstand, dass die Zeitschrift in der Lage war, Arendts Aufenthalt in Jerusalem zu finanzieren.

Die Leitung desNew Yorker war mit Arendts Vorhaben einverstanden. McCarthy teilte sie mit: »Ich habe entschieden, daß ich beim Eichmann-Prozeß dabei sein möchte, und an denNew Yorker geschrieben. (Nur drei Zeilen, nichts Ausgearbeitetes.)« Der Herausgeber William Shawn habe sie angerufen und »schien einverstanden, daß ich für sie fahre – mit der Vereinbarung, daß er, was immer ich vielleicht produziere, nicht drucken muß, daß sie aber meine Kosten übernehmen oder zumindest den größeren Teil davon. Das paßt mir gut.«4 Im Brief an Kurt Blumenfeld heißt es im Oktober 1960: »Der New Yorker will es mit mir versuchen, d. h. mir meine Spesen zahlen, auch wenn sich herausstellen sollte, daß was ich schreibe für das Blatt doch nicht geeignet ist. Aber wir hoffen – nämlich New Yorker und ich –, es könnte klappen.«5 Die in Kritiken wiederholt vorgebrachte Meinung, Arendt sei vomNew Yorker beauftragt worden, ist mithin unzutreffend. Gänzlich abwegig ist auch die Behauptung, das Magazin habe Arendt Vorgaben bezüglich ihrer