: Reinhard Mehring
: Carl Schmitts Gegenrevolution
: CEP Europäische Verlagsanstalt
: 9783863935771
: 1
: CHF 16.30
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: Politische Theorien und Ideengeschichte
: German
: 501
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Carl Schmitt stellte sich 1922 programmatisch in die Reihen einer 'Gegenrevolution', die er durch den Bruch mit dem Monarchismus und dem Schritt 'von der Legitimität zur Diktatur' gekennzeichnet sah. Von 'konservativer Revolution' sprach er nicht. Die hier versammelten Studien klären diese Positionierung in der polarisierenden Auseinandersetzung mit Anarchisten und Liberalen, Vernunftrepublikanern und radikalen Demokraten, 'linken' Schülern und jüdischen Intellektuellen: mit Gustav Landauer, Max Weber, Hans Kelsen, Moritz Bonn, Otto Kirchheimer und manchen anderen. Sie zeigen, wie die polemische Strategie 'Legitimität gegen Legalität' im Nationalsozialismus an einen Nullpunkt von Legalität und Legitimität gelangte, den Schmitt, als Akteur mit einer offensiven antisemitischen Rechtfertigung des nationalsozialistischen Leviathan beantwortete. Auch nach 1945 noch positionierte er sich jenseits von Legalität und Legitimität, Naturrecht und Rechtspositivismus.

Reinhard Mehring, Jg. 1959, studierte Philosophie, Politikwissenschaft und Germanistik. 1988 promovierte er über Carl Schmitt. Er war wiss. Mitarbeiter bei Hasso Hofmann in Würzburg und Assistent von Volker Gerhardt an der Humboldt-Universität, wo er sich in der Philosophie mit einer Arbeit über Thomas Mann habilitierte. Seit 2007 lehrt er als Prof. für Politikwissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Zahlreiche Bücher u.a. zu Carl Schmitt, Martin Heidegger und Thomas Mann. 2009 publizierte er eine Schmitt-Biographie bei C.H. Beck (engl. Übersetzung 2014), seine Junius- Einführung in Carl Schmitt ist inzwischen (2017) in 5. Aufl. erschienen.

Zur Einführung in die Thematik


Am 7. Januar 2015, dem Tag des Pariser Terroranschlags auf das SatiremagazinCharlie Hebdo, Auftakt weiterer Terrorserien, erschien Michel Houellebecqs RomanUnterwerfung (Soumission).11 Heute wirkt er durch die neuere politische Entwicklung in Frankreich, den Umsturz des Parteiensystems und den Wahlsieg Emmanuel Macrons (2017) sowie der neuen Lage seit der Corona-Pandemie etwas überholt. Houellebecq publizierte den Roman in die Endphase der sozialdemokratischen Regierung François Hollande hinein und imaginierte hier, in den Kategorien Carl Schmitts gesprochen, eine „legale Revolution“ durch eine Partei des politischen Islamismus, die, analog Hitler, einen Legalitätskurs zur Machtergreifung verfolgte, weil sie auf die strategische Schwäche der parlamentarischen Systemparteien setzte, um über eine Regierungsbeteiligung zur diktatorischen Macht zu gelangen. Houellebecq entwarf den Musterfall einer legalen Revolution nach dem Drehbuch Schmitts. Sein Ich-Erzähler, Literaturwissenschaftler und Huysmanns-Spezialist ähnelt mit seiner zynischen und sexistischen Lebensführung sowie seiner Ausflucht in den katholischen Rechtsintellektualismus auch Schmitt selbst; auch der wurde immer wieder als nihilistischer Ästhetizist gedeutet, der den Sprung in den autoritären Katholizismus suchte, ohne ihn ernstlich zu leben. Auch die Korrelation von Sexismus und Politik, der Dreiklang autoritärer Liquidierung und Unterwerfung der Frau, dessacrificium intellectus und der politischen Autonomie und Freiheit ähnelt Schmitts gegenrevolutionärer Botschaft. Wie Schmitt 1933 unterwirft sich Houellebecqs Ich-Erzähler am Ende der Diktatur, nachdem ihm persönliche Privilegien und akademische Reputation garantiert wurden.

Aktuell ist die Lage der liberalen und parlamentarischen Demokratie heute, nicht erst seit Corona, alles andere als rosig. Schwenkten die Historiker von den Konfrontationsgeschichten des Kalten Krieges nach 1989 auf triumphale Glücksgeschichten und Erfolgsnarrative um, so wird die Zukunft der Demokratie seit dem 11. September 2001 negativer erzählt. Unter den terroristischen und fundamentalistischen Bedrohungen wurden liberale Freiheiten der Sicherheit geopfert. Erlebte das 20. Jahrhundert die Weltherrschaft der USA, so scheint China heute im hegemonialen Ausscheidungskampf zu triumphieren.12 Es zeigt dabei wenig Neigungen, sich zu demokratisieren, und nutzt die digitale Revolution vielmehr für die Optimierung eines repressi