1. KAPITEL
„So, Mr. … ähm … Moreau wäre jetzt da.“
Die Sprechanlage schnarrte etwas, dennoch vernahm Summer das Zögern in der Stimme ihrer Sekretärin Mona. Oder besser, ihre Überraschung, die in der kleinen Pause nach dem Wort „Mr.“ lag.
Wieso? Was war so Besonderes an diesem Mr. Moreau, dass es sogar ihrer Sekretärin kurzzeitig die Sprache verschlug? Mona war seit fünf Jahren bei Summer angestellt, genau genommen seit jenem Tag, an dem Summer in London ihre Agentur Summer Solutions gegründet hatte, die auf exklusive Inneneinrichtungen, Outdoorlösungen und Gartenpflege spezialisiert war. Inzwischen erhielten sie sogar Aufträge aus dem Ausland. Deshalb hätte Mona eigentlich an eine anspruchsvolle Klientel gewöhnt sein müssen. Was also hatte Mr. Moreau an sich, das sie stocken ließ?
Summer würde es gleich erfahren. Zunächst jedoch griff sie in die Schublade ihres Schreibtisches, förderte ein Schminktäschchen zutage und schaute noch einmal prüfend in den kleinen Handspiegel, der ebenfalls in der Schublade gelegen hatte.
Der tiefschwarze Kajal, den sie an diesem Morgen aufgetragen hatte, war die einzige Auffälligkeit, die Summer sich beim Schminken leistete. Er betonte den Ausdruck ihrer meerblauen Augen und ließ ihren Blick geheimnisvoller wirken. Nicht, dass sie dieses Hilfsmittel gebraucht hätte. Der hervorragende Ruf von Summer Solutions war Werbung genug für die fantastische Arbeit, die sie und das Team hier jeden Tag leisteten. Aber hin und wieder genoss sie die Bewunderung, die sie mit einem Augenaufschlag auslösen konnte. Gleichzeitig sorgte sie immer dafür, dass die Kunden diesen Blick nicht missverstanden, denn an einer anderen als einer geschäftlichen Partnerschaft war Summer nicht interessiert. Mit ihren siebenundzwanzig Jahren war sie nun seit zwei Jahren Geschäftsfrau auf Erfolgskurs – und ihre Karriere würde sie für nichts und niemanden hintanstellen.
Der Kajal war nicht verwischt, der Lippenstift im leichten Naturton ihrer Lippen saß ebenfalls perfekt. Rouge oder Foundation benutzte Summer nie, denn ihre Gesichtshaut schimmerte immer jugendlich frisch, und schon von Natur aus lag ein rosiger Glanz auf ihren Wangen. Das hochgesteckte Haar verlieh Summer einen seriösen Ausdruck, den sie nur gelegentlich durch einige an den Seiten herausgezupfte Strähnchen ein bisschen auflockerte. Dazu trug sie im Büro stets eine weiße Bluse und ein figurbetontes Businesskostüm – heute hatte sie sich für das Modell in Taubenblau entschieden, was hervorragend zu ihren rotblonden Haaren passte. Ihr Auftreten und ihr Äußeres sollten den Kunden von der ersten Minute an von ihrer hohen Professionalität überzeugen.
Mr. Moreau also.
Der Mann hatte sich heute Morgen per E-Mail bei Mona gemeldet und der Agentur einen Auftrag mit einem ungewöhnlich hohen Honorar in Aussicht gestellt. Obwohl sie regelmäßig Aufträge für wohlhabende Kunden übernahmen, übertraf diese Anfrage ihre üblichen Preise bei Weitem. Der in der Mail genannte Betrag würde Summers Schulden, die noch aus der Geschäftsgründung vor fünf Jahren stammten, mit einem Schlag begleichen. Und nicht nur das. Sie würde ihren Mitarbeitern endlich die längst fällige Gehaltserhöhung zahlen können.
Wahrscheinlich, so hatte Mona am Morgen vermutet, war Mr. Moreau bereits ein Mann mittleren Alters. Seine Anfrage klang äußerst seriös und war sehr diskret formuliert gewesen. Außerdem war sie von einem privaten E-Mail-Account abgeschickt worden. Es standen keinerlei Firmendaten in der Signatur, nichts, woraus man schließen könnte, um wen es sich bei dem mysteriösen Auftraggeber handelte. Privat aber gaben Männer selten eine so hohe Summe für Inneneinrichtung aus, meist lief ein solcher Posten über das Geschäftskonto, um Steuervorteile geltend machen zu können.
Es sei d