Es gibt nette, hilfsbereite Theorien und solche,
die durch das Wahrscheinlichwerden
des Unwahrscheinlichen fasziniert sind.
Die erstgenannte Variante hat die Tradition
für sich, die zweite drängt sich auf, sobald man
explizit fragt, wie soziale Ordnung möglich ist.
(Niklas Luhmann)
Systemtheorie: Soziale Komplexität verstehen
Um die konstruktiven Erkenntnispotenziale des systemtheoretischen Beobachtungsansatzes zu verdeutlichen, ist es wichtig, zunächst einmal ihre theoretischen Grundzüge zu umreißen. Im Folgenden werden deshalb in aller Kürze die wichtigsten systemtheoretischen Prämissen in Bezug auf gesellschaftliche Wandlungsdynamiken zusammengefasst, mit besonderem Augenmerk auf die vernetzte Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.
„Inseln geringerer Komplexität“
Wie ist soziale Ordnung möglich? Wie kann so etwas Unwahrscheinliches wie die Gesellschaft überhaupt entstehen? Die Antwort der Systemtheorie lautet: durch verschiedene Formen von Kommunikation, die sich voneinander abgrenzen und eigene Hoheitsgebiete bilden. Oberster Bezugspunkt systemtheoretischen Denkens ist dabei das Thema Komplexität: Soziale Systeme machen die unbestimmbare Komplexität der Welt „behandelbar“, indem sie eigenmächtig Komplexität reduzieren. Die Vermittlung zwischen der unbestimmten Weltkomplexität und der menschlichen Möglichkeit zur Komplexitätsverarbeitung macht soziale Systeme zu „Inseln geringerer Komplexität“ (Luhmann 1970, 116) im diffus-komplexen Weltmeer.
An der Grenze zwischen System und Umwelt herrscht also immer ein Komplexitätsgefälle: Die Umwelt ist stets komplexer als das System, und das System ist stets „geordneter“ als seine Umwelt. Um aber Komplexität reduzieren zu können, müssen Systeme zunächst selbst über Komplexität verfügen. Erst ein gewi