: Johannes Albendorf
: Berliner Sehnsucht Roman
: Querverlag
: 9783896566768
: 1
: CHF 8.90
:
: Erzählende Literatur
: German
Es ist ein sonniger Tag im Mai: Die Stadt erfreut sich am Frühling und keine kann das so wie Berlin. Bruno Balz - Schöpfer unvergesslicher Evergreens wie Der Wind hat mir ein Lied erzählt und Kann denn Liebe Sünde sein? - trifft Vorbereitungen für ein Rendezvous. Er ist aufgeregt, denn seine neue Bekanntschaft ist um einige Jahre jünger und Bruno weiß um das Filigrane eines solchen Beginns. Als es an der Tür schellt, glaubt er, der junge Mann sei da. Doch unvermittelt platzen Heinz Rühmann und Grethe Weiser in diese Vorfreude und laden sich selbst zu Tee und Sherry ein. Und auch Zarah Leander taucht auf; zutiefst verzweifelt, weil ihr Stammkomponist sie wegen einer jüngeren Sängerin abserviert hat. Bruno wird die drei nicht los. Immer wieder erinnert er sich an seine Anfänge in den 20ern und an die großen Erfolge beim Film. Später am Nachmittag findet sich Bruno im dunklen Flur wieder und ist nur noch erschöpft. In dem Moment klingelt es an der Tür.

Johannes Albendorf stammt aus Niedersachsen und studierte Schauspiel in Hamburg. Seine erste literarische Publikation erschien im Jahr 2013. Bisher wurden zwei Romane und ein Theaterstück von ihm veröffentlicht.

Doch so fangen Märchen an


Alles sehnt sich nach ihm, denkt Bruno. Es ist immer dasselbe. Die Aufregung. Das Kribbeln. Wie viel einfacher wäre es früher gewesen, als ich noch jung war, und schön. In meinem Alter kann man nur noch hoffen.

Bruno hofft jeden Tag, an die zwanzig Male: in der Bahn, auf dem Markt, im Kino. Zwanzigmal am Tag, hundertvierzigmal die Woche, aber, ach, dieser eine Moment, der war besonders.

Ein tiefer Blick durch die Augen in die Seele. Ein Erkennen, vertraut!

Dass mir das noch einmal passiert. Ich habe schon mit dreißig gedacht, dass ich zu alt bin … und jetzt fühle ich mich wieder wie zwanzig.

Bruno durchquert das Wohnzimmer, betritt seinen großen Balkon und schaut auf die Straße hinunter. Es ist ein sonniger Tag, einer der letzten im Mai. Die Stadt erfreut sich am Frühling und keine kann das so wie Berlin.

Bruno atmet tief durch.

Dann dreht er sich um und blickt in die Wohnung hin­ein.

Der Einrichtung hat er sich mit viel Sorgfalt und Liebe gewidmet, auf gekonnte Weise Möbel, Farben und Materialien der zwanziger und der fünfziger Jahre miteinander kombiniert: Filigranes neben Wuchtigem, Verspieltes neben Geradlinigem, dunkle, warme Töne neben leichter Helligkeit in Pastellfarben, ein Wohnkonvolut aus Nierentischchen und Tütenlampen, aber auch zwei Kristalllüstern, antiken französischen Vitrinen aus Nussbaum und Bücherschränken aus Mahagoni. Massiv das Sofa, futuristisch die Cocktailsessel in Veloursamt.

Wie wird das alles auf ihn wirken? Wie werde ich auf ihn wirken!?

Unruhig schaut er nach seinem Spiegelbild in der Fensterscheibe, kontrolliert den Sitz seiner Haare und betrachtet mit einigem Unbehagen seine Silhouette, Schwerpunkt Taillenumfang.

Egal, da muss man durch.

Was ich bin, habe ich dir zu geben, beginnt es in ihm zu dichten.

Dass dem jungen Mann an seinen, Brunos, inneren Kostbarkeiten liegt und er glücklich ist, wenn er auf seine, Brunos, Echtheit stößt, danach sehnt sich Bruno.

Unsere Herzen werden klingen …, dichtet es in ihm weiter.

Ein Lachen ertönt vom Nachbarbalkon. »Na, da können schon noch eenige Pfunde runter!«, ruft Frau Horn von nebenan, und Bruno stolpert mit rotem Kopf ins Wohnzimmer zurück und verheddert sich kurz in der Gardine.

Unruhig fährt er sich mit der Hand durch die Haare. Und auf einmal ist er glücklich.

Flieder leuchtet auf dem Sofatisch, mit den Fingerspitzen fährt Bruno über die kleinen Blüten in Lila und Weiß. Düfte sind die Gefühle der Blumen,