: Susanne Rüster, Heidi Ramlow, Ria Klug
: Zerstöckelt Eine tödliche Anthologie
: Periplaneta
: 9783959962247
: Edition Totengräber
: 1
: CHF 7.10
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 144
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Unter den Absätzen der Mörderischen Schwestern, in ihren Sätzen und Geschichten finden sich entzweite Schulfreundinnen, Hausbesetzer, wehrhafte Fahrgäste und eine Schamanin. Es sind enttäuschte Mütter, hart arbeitende Frauen, listige Detektive, tatkräftige Rentnerinnen, eine ehrgeizige Sängerin, eine alternde Femme fatale, die alle neben weiblichem Charme und scharfem Verstand auch Waffen jeder Art, Gift und Allergene zum Einsatz bringen. Aus einer manchmal auch animalischen Perspektive schreiben die Mörderischen Schwestern über Totschlag, Betrug und Rache, darüber, wie man sich zur Wehr setzt, wie jemand auf's Kreuz gelegt wird oder Täter zu Opfern werden. Dieses Buch vereint 22 spannende, kritische und literarische Texte. Sie sind überraschend, satirisch, ernst und humorvoll, leise und schrill.Mörderisch gut, die Schwestern! Mit Beiträgen von: Barbara Ahrens, Ulrike Bliefert, Ute Christensen, Andrea Gerecke, Laszlo Hartmann, Carla Maria Heinze, Astrid Ann Jabusch, Bettina Kerwien, Slavica Klimkowsky, Ria Klug, Maria Kolenda, Salean Maiwald, Andrea Maluga, Marianne Meuser, Dolores Pieschke, Heidi Ramlow, Connie Roters, Susanne Rüster, Waltraud Schade, Barbara Schlungbaum, Comsha Stein, Gisela Witte

Heidi Ramlow

Schubert-Fieber


Der Abend war schwül. Samira hatte in der Pause die Fenster weit geöffnet, aber selbst das brachte keine Abkühlung. Die Hitze staute sich trotz der dicken Mauern im Gotischen Saal der Zitadelle. Vereinzelte Zuhörer waren schon gegangen. Leise schloss Samira die Fenster. Sie mochte diese mittelalterliche Festung; ein ganz besonderer Ort ihrer Kindheit, über den ihre Spandauer Großmutter ihr viele Gruselgeschichten erzählt hatte.

Sie trat ins Freie. Einmal durchatmen! Die Dämmerung legte sich auf den bleiernen Abend. Fledermäuse huschten um den Juliusturm, unterwegs zum nächtlichen Beutefang. Die Großmutter hatte ihr immer Angst gemacht vor diesen tagscheuen Tieren, hatte behauptet, sie würden sich gerne in Frauenhaar wickeln, besonders in rotes.

Sie ging zurück in den Saal. Vor einem der Fenster war ein Podest aufgebaut, daneben der Flügel, davor standen die Stuhlreihen der Zuhörer. Samira faszinierte die Backstein-Gotik, das warme, indirekte Licht der Fenster, die Kandelaber neben dem Podest, deren Kerzenschein die Gesichtszüge weich werden ließen. Der richtige Rahmen für den Abschluss der Meisterklasse und für ihren ersten Auftritt bei den Burgkonzerten. Und die Akustik zwischen diesen Backsteinmauern – einfach hervorragend. Ihr Herz klopfte.

Drei Lieder präsentierte jede Sängerin. Der Siegerin winkte ein Stipendium am Mozarteum in Salzburg. Ihr ganz persönlicher Traum! Ihre stärkste Konkurrentin Alma hatte ihren Auftritt bereits hinter sich und war von Juroren und Publikum frenetisch beklatscht worden.

Aber auch Samira galt als Favoritin, das wusste sie, ihr Sopran klang lyrischer als der von Alma. Ihre Blase meldete sich. Ausgerechnet jetzt! Das verdammte Lampenfieber. Sie hatte noch ein paar Minuten Zeit bis zu ihrem Auftritt und ging zur Toilette. Ihr Mund war trocken, ihr Atem heiß. Aus dem Wasserhahn trank sie einige Schlucke, gurgelte dann, spuckte das Wasser zurück ins Becken.

„Aufgeregt?“, hörte sie eine Stimme hinter sich fragen. Alma war in den Waschraum gekommen. Sie sah fantastisch aus mit ihren hochgesteckten, blonden Haaren und dem langen, schwarzen Kleid mit Spaghettiträgern. Sie verzauberte alle mit ihrem Aussehen und ihrer Stimme. Samira hatte das Kontrastprogramm gewählt, ganz in Weiß und trägerlos.

„Max begleitet heute hervorragend am Flügel“, sagte Alma leise, „allerdings glaube ich, dass ihm Schubert nicht so liegt.“

„Den Eindruck hatte ich nicht auf den Proben!“ Samira ordnete ihre halblangen, roten Haare, steckte die weiße Seidenrose hinters Ohr und dachte an die letzte Nacht mit Max. Ob Alma etwas ahnte?

„Jedenfalls toi, toi, toi für deinen Auftritt. Max ist